DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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Zeit ohne Zeit

Zeit ohne Zeit Zeit ohne Zeit, Museum Mönchengladbach 1969, Treppenhaus, Foto: Unbekannt, Archiv Museum Abteiberg
Grundriss Obergeschoss neu
Einladungskarte Zeit ohne Zeit, 1969

Zeit ohne Zeit, 5.10. – 16.11.1969

1.OG

Text der Einladungskarte: Johannes Cladders

Unter der Zeit“ eines Kunstwerks versteht man zunächst und zumeist seine Zugehörigkeit zu einer Epoche, zu der Zeit, die es hervorbrachte., die es geistig, technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich ermöglichte und trug. Andererseits wirkte das Kunstwerk auch in seine Zeit“ hinein und trug zu ihrer Besonderheit, Unverwechselbarkeit und Einmaligkeit wesentlich bei. Das Wort Kunst“ beinhaltet selbst schon eine zeitliche Bestimmung in diesem Sinne, insofern es eine schöpferische Leistung – und darum handelt es sich beim Kunstwerk – ohne zeitlichen Aspekt nicht gibt. Der Grad des kreativen Anteils des Kunstwerks läßt sich ja nicht zuletzt an der Entstehungszeit ablesen. Plagiat, Kopie und Fälschung verweisen als unschöpferische Leistung in sich schon auf eine falsche“ Zeit. So selbstverständlich es ist, daß sich gerade ein Kunstwerk nicht von seiner Entstehungszeit isolieren läßt, so unzulänglich bleibt aber auch dieser Zeitaspekt; denn Geschichte erschöpft sich nicht in der Aufeinanderfolge von Daten. Chronologie ist nur ein Gerüst des Geschichtlichen, ein Skelett. Das eigentliche Leben setzt sich darum herum an: die Wirksamkeit eines Kunstwerks. Auch sie besitzt ihre eigene Zeit, die sich jedoch nicht an der Skala des Nacheinander, sondern an den Graden der Intensität bemißt. Die Entstehungszeit eines Kunstwerks ist objektiv feststellbar, seine Wirkzeit subjektiv erlebbar. Die Uhr der Wirksamkeit kennt sozusagen weder Zifferblatt noch Zeiger. Sie tickt nur, mehr oder weniger intensiv, dem Herzschlag vergleichbar.

Mit dem Titel Zeit ohne Zeit“ soll gesagt werden, daß diese Ausstellung nicht das zeitliche Nacheinander der Kunstwerke zum Thema hat. Sie ist sogar bewußt ohne jede Rücksicht auf Chronologie aufgebaut, damit sich Zeit, Bereich und Art der Wirksamkeit der Werke umso deutlicher darstellen. Denn Wirksamkeit ergibt sich nicht nur aus emotionaler oder rationaler Interpretation eines einzelnen Kusntwerks durch den einzelnen Betrachter. Vielmehr interpretieren sich Kunstwerke selbst, in dem man sie nebeneinander oder sich gegenüber stellt. Sie verändern dabei jeweils ihre Wirksamkeit, die Grade der Intensität wechseln, die Zeit ohne Zeit“ verwirklicht sich, die Uhr tickt ohne daß ihre Zeiger weiterticken.

Die Ausstellung Zeit ohne Zeit“ kann nicht mehr als einen äußerst bescheidenen Beitrag zum Thema Kunst und Zeit“, Kunst und Geschichte“ leisten. Sie wurde aus museumseigenen Beständen zusammengestellt und ist deshalb in ihren Möglichkeiten, was Umfang und Auswahl betrifft, begrenzt. Zwar wurde Wert darauf gelegt, sparsam zu hängen. Dennoch: Sie kann kann neue Einblicke in eben diese Sammlungsbestände vermitteln und läßt die Wirksamkeit des einzelnen Objekts außerhalb seines chronologischen Kontextes, in dem es innerhalb der geschlossenen Sammlungsabteilungen immer erscheint, neu und anders erleben. Das Zifferblatt der Uhr ist abgedeckt, die Wirkzeit der Werke, ihr Herzschlag, angesprochen.

Rekonstruktion der Räume: Susanne Rennert

Treppenhaus (Raum V)

Roy Lichtenstein, Bread in Bag, 1961
2 Teile; mit 2 Scharnieren verbunden
Öl auf Leinwand, 71142 cm (je 7171 cm)
Erworben 1967. Provenienz: Galerie Schmela, Düsseldorf 
(* Mönchengladbach 2007, S. 229)

Standuhr, Westdeutsch, 1. Hälfte 19. Jh.
Eichenholz mit Reliefschnitzereien
Standuhr mit abgedecktem Zifferblatt und collagierter Schrift ZEIT OHNE ZEIT

Blick in Raum VI

Ernst Ludwig Kirchner, Weiblicher Akt im Grünen, 1914/1915
Öl auf Leinwand, 12691 cm
Erworben 1964 mit Unterstützung des Landes Nordhein-Westfalen
(** Mönchengladbbach 1990, S. 174f.)

Raum VII

Franz von Stuck, Bildnis der Frau des Künstlers, ca. 1905 – 1910
(Leihgabe der BRD 1969 – 2010)

Süchtelner Madonna
Rhein-Maas-Gebiet, ca. 1220, Eichenholz, gefasst

Yves Klein, Monogold, 1960
Blattgold auf Gaze auf Holz (Holzplatte monochrom blau bemalt), 6950 cm
Erworben 1967 mit Förderung des Westdeutschen Rundfunks. Provenienz: Galerie Schmela, Düsseldorf (* Mönchengladbach 2007, S. 207)

Yves Klein, Monochrome bleu, 1959
Farbpigmente und Kunstharz auf Leinwand auf Holz
WV IKB 87, 9273 cm
Erworben 1967 mit Förderung des Westdeutschen Rundfunks. Provenienz: Galerie Aktuell, Bern (* Mönchengladbach 2007, S. 206)

Raum VIII

Ernst Barlach, Kopf des Güstrower Ehrenmals, 1927
Bronze, 35,5, x 3234,5 cm (ohne Sockel)
Erworben 1957 (** Mönchengladbach 1990, S. 13f.)

Andy Warhol, Louis M. von vorne; Louis M. von der Seite, 1963
Nr. 10 der Folge 13 Most wanted Men”
Siebdruck auf Leinwand
je 122100 cm
Erworben 1967. Provenienz: Galerie Rudolf Zwirner, Köln
(* Mönchengladbach 2007468f.)

Erich Heckel, Irre beim Essen, 1914
verso: Strandlandschaft bei Osterholz, 1913
Öl auf Leinwand, 8170,7 cm
Erworben 1962 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen (** Mönchengladbach 1990, S. 134f.)

Blumenmädchen
Würzburger Meister, 18. Jh, Gebrannter Ton

Blick in Raum VII

?

George Segal, Man seated at table, 1960
Gipsfigur (lebensgroß), Holzstuhl, Holztisch mit Wachstuch und PVC-Folie, Fenster aus Holzrahmen und Glas
Installationsmaß 13594135 cm
dazu ein Zertifikat des Künstlers in Form eines s/​w‑Fotos, verso mit handschriftlichem Text: 36“ x 50“ x 50“, 1960 This is the first sculpture I made using the casting process. The subject is myself
Erworben 1968. Provenienz: Galerie Zwirner, Köln
(* Mönchengladbach 2007, S. 418f.)

Raum VIII

Blumenmädchen
Würzburger Meister, 18. Jh, Gebrannter Ton

Franz von Stuck, Bildnis der Tochter Mary, ca.1910
(Leihgabe der BRD 1966 – 2010)

Arman, Les tampons buvards, 1961
Akkumulation, Tintenlöscher in einem Kastenaus Plexiglas und Holz
644411 cm
Erworben 1967. Provenienz: Galerie Schmela, Düsseldorf
(* Mönchengladbach 2007, S. 21)

Martial Raysse, Kristin, 1962
Collage aus verschiedenen Materialien auf einem Spiegel, 3660 cm
Erworben 1967. Provenienz: Galerie Schmela, Düsseldorf
(* Mönchengladbach 2007, S. 344ff.)

Martial Raysse
Supermarkt, 1961
Holzkasten mit Spiegel und diversen Gegenständen, verteilt in 28 Fächern
69,513653 cm
Erworben 1968. Provenienz: Galerie Schmela, Düsseldorf 
(* Mönchengladbach 2007, S. 344)

Franz von Stuck, Helena, ca. 1920
Bronze
(Leihgabe der BRD 1969 – 2010)

Raum IX

Stehende Maria mit Kind, Frankreich
um 1350, Stein, gefasst
(Leihgabe der BRD 1969 – 2010)

Jean Tinguely, Meta-Kandinsky II – Hommage à Kandinsky, Metamechanik, 1955
Kinetisches Relief aus farbigen Blechelementen, Eisengestänge, Holz und Gummiriemen auf einer Holzplatte; durch Elektromotor betrieben
39141 x ca. 34 cm (Holzplatte 39138 cm)
Erworben 1967 mit Förderung des Westdeutschen Rundfunks. Provenienz: Paul Wember, Krefeld
(* Mönchengladbach 2007, S. 446f.)

Wilhelm Lehmbruck, Rückblickende, 1914
(Es ist unklar, aus welcher Sammlung dieses Werk für die Ausstellung entliehen wurde; es befand sich weder im Museumsbestand, noch zählte es zu den Leihgaben der BRD.)

Sitzende Madonna
Süddeutsch (schwäbisch ?)
Ende 15. Jh, Lindenholz, gefasst

Wilhelm Lehmbruck, Kleiner weiblicher Torso (Hagener Torso), 1910/11
Gips, 702624 cm
Erworben 1952 
(** Mönchengladbach 1990, S. 223)

Hl. Petrus, Niederrhein, ca. 1460
Lindenholz

auf dem Boden:
Carl Andre, 8001 Mönchengladbach Square oder 8002 Mönchengladbach Square, 1968
Stahlplatten; Quadrat aus 36 (66) Platten, jede Platte ca. 50500,8 cm (ausgelegt zum Quadrat ca. 3003000,8 cm)
Erworben 1969 mit Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen. Provenienz: Konrad Fischer, Düsseldorf (?)
(* Mönchengladbach 2007, S. 16f.)

Anmerkung: Die Angaben zu den Arbeiten aus Museumsbesitz wurden zit. nach:

Städtisches Museum Abteiberg Mönchengladbach (Hg.): Kunst der ersten Jahrhunderthälfte. 1900 bis 1960. Bestandskatalog, bearbeitet von Hannelore Kersting, Mönchengladbach 1990 [** Mönchengladbach 1990]

Städtisches Museum Abteiberg Mönchengladbach (Hg.): Kunst der Gegenwart, 1960 bis 2007. Bestandskatalog, bearbeitet von Hannelore Kersting, Mönchengladbach 2007 [* Mönchengladbach 2007]

Dank an Hannelore Kersting – ehemalige Kustodin des Museums Abteiberg (1986 – 2017) – für die Unterstützung bei der Bestimmung von Werken. Siehe Hannelore Kersting, E‑Mail, 9.5.2017: Bei den Leihgaben der BRD (die wir 2010 zurückgegeben haben) handelt es sich um ehemaligen Reichsbesitz, der auf Museen verteilt wurde. Die meisten dieser Leihgaben kamen 1969 ins Haus, und ich vermute, dass Cladders die Ausstellung Zeit ohne Zeit‘ in erster Linie dazu diente, für diese Werke eine Art von Kontext zu kreieren.“

Einladungskarte / Plakat / Druckerzeugnisse

Archiv Fotografien

Archiv Presse

o.V., Zeit ohne Zeit, in: Westdeutsche Zeitung, 4.10.1969
F.E. [Fritz Eisheuer], Objekte von den Römern bis heute, Museumsbestand in Mönchengladbach in neuer Sicht, in: Westdeutsche Zeitung, 18.10.1969
Foto (Tressat), in: Westdeutsche Zeitung, 25.10.1969
o.V., „Zeit ohne Zeit“ ist am Sonntag zu Ende, in: Rheinische Post, 14.11.1969