DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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ARCHIV TEXTE


Johannes Cladders, Museum Mönchengladbach, in: Das Kunstwerk, Zeitschrift für bildende Kunst, 5 XXVIII, September 1975, S. 5 – 6 

Ein Museum, das, wie das Mönchengladbacher, sich nur auf die Finanzkraft einer Hunderfünfzigtausend-Einwohner-Stadt stützen kann (durch kommunale Neugliederung seit 1.1.1975 rund 270000), das weder das Erbe einer fürstlichen Galerie antrat noch Urenkel oder Enkel bürgerschaftlicher Stiftungen des 19. Jahrhunderts ist, sondern sich vom Heimatmuseum zunächst zaghaft, nach dem Krieg jedoch entschlossener zum Kunstmuseum mauserte, schwebt zwischen diesen Alternativen: sich mangels Masse viert- und fünftklassige Vergangenheit zuzulegen, oder das Risiko bezahlbarer Gegenwart und Zukunft einzugehen. Das eine beinhaltet zwangsläufig Provinz, das andere die Chance zur Qualität. In Mönchengladbach wählte man die Chance. 

1927 stiftete Dr. Walter Kaesbach, ein gebürtiger Gladbacher, zu der Zeit Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, seiner Vaterstadt seine Sammlung zum Expressionismus. Sie ging beim braunen Bildersturm restlos verloren. Sofort nach dem Krieg begann man damit, das Verlorene dem Geist und Inhalt nach durch Neuankäufe zu rekonstruieren. Bis die Preise endgültig davonliefen, war eine quantitativ wie qualitativ ansehnliche Kollektion zusammengetragen. Schon bevor 1966 unter äußerster Kraftanstrengung mit einem DM 80000,– Franz Marc (Jahresetat DM 70000, – ) ein Schlußstrich unter die Retrospektivankäufe dieses Bereichs gesetzt worden war, hatten sich die Museumspforten zunehmend der Gegenwart geöffnet. Zunächst fand Zero“ Einlaß. Seit 1967, mit geringer Zeitverzögerung, kam der europäische Kontext dieser deutschen Gruppe dazu: der Nouveau Réalisme. Ab 1968 folgte im Nachvollzug des internationalen Geschehens die Pop Art. Nahezu gleichzeitig wurden die ersten Ankäufe zur Minimal Art getätigt. Anfang der siebziger Jahre hatte man mit der Gegenwart völlig gleichgezogen. Die Erwerbungen konzentrierten sich auf Land- und Conceptual Art. 

Das brachte finanziell Luft. Die Gegenwart war preiswert und um so erschwinglicher, als sich der Etat konjunkturgerecht auf DM 90000, – , 95000, – , 100000,– nach oben bewegte. Den Rücken frei von grundlegendem Nachholbedarf konnten nun auch gezielt Lücken gefüllt werden. Zumal, da bei dicken Brocken – und nur bei diesen – eine fette Rundfunk- oder Landesbeihilfe ins Haus stand. 

1970 war dem Museum die Sammlung Etzold als Dauerleihgabe überlassen worden, die auf Tendenzen spezialisiert ist, die sich als Konkrete Kunst“ charakterisieren lassen. Ein kleiner Bestand an Vätern“ solcher Kunst, von Konstruktivisten, ist ihr angegliedert. Die museumseigenen Aquisitionen hatten sich auf die neue Situation einzuspielen. Der Expressionisten-Abteilung eine Konstruktivisten‑, Suprematisten- und Dadaisten-Abteilung anzugliedern und gegenüberzustellen war sowohl sinnvoll wie durch die Vorleistung machbar geworden. Das viele Geld für dicke Brocken war sachlich zu rechtfertigen. 

Seit nahezu drei Jahren macht sich die Stadt Mönchengladbach für ein mindestens 17 Millionen schweres Museumsbauprojekt stark. Es steht kurz vor dem Planungsabschluß. Unter diesem Aspekt haben einerseits die Erwartungen auf Erhöhungen des Ankaufsbudgets etwas gedämpft zu sein, andererseits sind die Anstrengungen, eine möglichst überzeugende Kollektion in das zukünftige Haus einzubringen, noch zu intensivieren. Wieder bot sich ein Privatsammler an. Die Mailänder Sammlung Panza ist dem Museum sicher, falls es zum neuen Haus kommt. Die bisherige Lücke, nämlich die nahezu völlige Abwesenheit des Informel, wäre exemplarisch mit jeweils kompletten Übersichten über einige europäische und amerikanische Künstler dieses Bereichs zu schließen. Die bereits in Einzelbeispielen vorhandenen Minimal‑, Pop- und Concept Art könnte um geschlossene, große Werkgruppen der für diese Richtung prototypischen Künstler erweitert werden. 

Der Museumsbesitz hat sich in den wenigen Jahren nach Quantität und Qualität ungeahnt erweitert. Leihgaben wie Neubauabsichten schufen ebenso Imponderabilien wie wachsende Komplexität, auf die die eigene Ankaufspolitik des Museums flexibel zu reagieren hat. Zielvorstellung ist: Ein möglichst lückenloser Überblick über die Kunst des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt Kunst nach 1945“ und Dokumentation der jeweiligen Gegenwart, ohne zeitlichen Rückstand. Schwache Punkte werden dabei ebenso unvermeidlich sein wie sich Stärken – insbesondere, falls die Sammlung Panza ihre bedeutenden Konvolute zu einzelnen Küsntlern einbringen kann – schon jetzt abzeichnen. Die Stadt hat ihre Ankaufsmittel bisher noch nicht zurückgeschraubt. Vom Land Nordrhein-Westfalen gab es allerdings schon 1974 keinen Zuschuß mehr. Diese Zurückhaltung gefährdet ein Konzept, das zwar Lücken in Kauf nimmt, aber ebenso kostspieliger Ergänzungen dringend bedarf.