DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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DAS UNVERWECHSELBARE EINER STADT IST IHRE KULTURELLE DIMENSION“ – BUSSO DIEKAMP (1928 – 2020)

Susanne Rennert

Der promovierte Jurist Busso Diekamp wurde, aus Ratingen kommend, 1964 Stadtdirektor in Mönchengladbach und damit auch Leiter der Dezernate Recht und Ordnung, Schule und Kultur. So die korrekte Rangfolge der Ämter, denen der parteilose Diekamp damals vorstand. Aber das Städtische Museum, das innerhalb des Kulturressorts nur eins seiner diversen Aufgabengebiete darstellte, stand von Beginn an im Fokus des Mittdreißigers, der aus einem kunstaffinen Elternhaus in Bochum stammte. 

Im überregionalen Bewusstsein ist Diekamp vor allem als bedeutender Kulturdezernent verankert, der für Mönchengladbach und Nordrhein-Westfalen eine vergleichbar substanzielle Arbeit geleistet hat wie Kurt Hackenberg für Köln. Weitet man den Radius deutschlandweit aus, müssten hier noch der – mit Diekamp gleichaltrige – Hermann Glaser in Nürnberg oder Hilmar Hoffmann in Frankfurt/​M. genannt werden, die die kulturelle Identität ihrer Städte ebenso visionär, erfolgreich und nachhaltig geprägt haben. Mit Erstaunen lesen wir deshalb in Diekamps 2017 publizierten Memoiren Randbemerkungen. Aus 30 Jahren Schul- und Kulturpolitik in Mönchengladbach 1964 – 1993, wie viele weitere wichtige kommunalpolitische Vorhaben Diekamp in seiner langen Amtszeit initiierte und realisierte. 

Schon zu Heinrich Dattenberg, dem Vorgänger von Johannes Cladders, der das Städtische Museum Mönchengladbach von 1945 bis 1967 leitete, verband Diekamp ein produktiv gutes Arbeitsverhältnis. Dattenbergs Lebensleistung für den kulturellen Wiederaufbau der Stadt nach dem Terror des Nationalsozialismus, dem die berühmte Expressionisten-Sammlung Walter Kaesbachs zum Opfer gefallen war, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der mit Kaesbach freundschaftlich verbundene Dattenberg, der nach dem Krieg partiell wieder an das Verlorene anknüpfen konnte, war es auch, der Johannes Cladders an Diekamp empfahl, als man für das Städtische Museum einen neuen Direktor suchte. 

Von Beginn an bildeten Cladders und Diekamp — beide gleichermaßen pragmatisch wie intellektuell orientiert -, eine kongeniale Doppelspitze, die es mit großer Fortüne verstand, die Interessen von Kunst und Politik miteinander zu verbinden. In enger Zusammenarbeit mit den über die politischen Fraktionen hinweg kooperierenden städtischen Amtsträgern, dem wichtigen Kulturausschuss und dem einflussreichen Museumsverein in Mönchengladbach, verfolgten Cladders und Diekamp die Vision eines Museums, das auf internationale, zeitgenössische Kunst hin ausgerichtet war und dabei die lokalen und regionalen inhaltlichen Stränge nicht aus den Augen verlor. Dabei gelang ihnen die Moderation ganz unterschiedlicher Temperamente und Energien, was die Vermeidung kräftezehrender parteipolitischer Konfrontationen zur Folge hatte. In Mönchengladbach gelang es in den 1960er und 1970er Jahren offenbar gleichzeitig, katholisch, konservativ, liberal und progressiv eingestellt zu sein.

Mönchengladbach sah sich in den 1960er Jahren mit dem Niedergang der Textilindustrie konfrontiert, die die städtische Identität seit dem 19. Jahrhundert stark geprägt hatte. Wie bewusst die neu zu schaffende Identität der Stadt an deren kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten – konkret an das Museum – gebunden werden sollte, wird in einer bemerkenswerten Rede deutlich, die Diekamp 1977 anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Museumsneubau Abteiberg. Architekturpläne, Modelle, Fotos, Zeichnugnen, Publikationen“ (23.1. – 20.2.1977) in der Bismarckstraße vortrug:

Das, was die Stadt zur Stadt macht, das, was die Stadt vom namenlosen Zusammenleben einer Vielzahl von Menschen unterscheidet, das Unverwechselbare einer Stadt ist zu größtem Teile ihre kulturelle Dimension. Kultur ist also – um in einem kulinarischen Bild zu bleiben – nicht Garnierung, Kultur ist das Salz der Urbanität. […] Unsere Stadt, Mönchengladbach, geht auf eine sehr alte Gründung zurück. Die heutige Tradition der Stadt ist jedoch wesentlich geprägt durch die industrielle Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts und darüber hinaus dadurch, daß die heutige Stadt viele, in verschiedenen kommunalen Neuordnungswellen im Laufe von 100 Jahren zusammengeschlossene, aber nicht zusammengewachsene Teile vereinigt. Diese schlechte Ausgangslage, die man sehen muß, hatte bereits in der alten Stadt Mönchengladbach zu einer starken Arbeitsthese geführt, die in der Erkenntnis gipfelte, daß die Identifikationsmöglichkeiten des Bürgers mit der Stadt verstärkt werden müßten, insbesondere deshalb, daß die Stadt trotz industriellen Substanzverlustes attraktiv werde auch als ein Zentrum mit Ausstrahlung auf die Umgebung.“ 

Und diese Umgebung stellte – bezogen auf die bildende Kunst – durchaus ein kompetitives Feld dar, denn auch den, ebenfalls auf zeitgenössische Kunst hin ausgerichteten Museen und Institutionen in Krefeld, Düsseldorf, Aachen, Leverkusen oder Köln, war an der Aufmerksamkeit möglichst zahlreicher Besuchern gelegen. 

Mit Johannes Cladders trug Busso Diekamp die Verantwortung für die legendäre Ausstellungs- und Publikationsgeschichte in der Bismarckstraße und auch für die bemerkenswerten Projekte des Programms Kunst am Bau“ in der Stadt. Er war es, der in seiner Funktion als Stadtdirektor Heinz Mack, Ulrich Rückriem, Blinky Palermo u.a. Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten vor Ort verschaffte und später mit Cladders auch das Mönchengladbacher Atelierstipendium umsetzte, von dem unter anderem Giuseppe Penone und Sandro Chia profitierten. 

Nicht zuletzt die weltweit einzigartige Architektur des Museum Abteiberg von Hans Hollein wäre ohne ihn, den visionären Realisten Diekamp, der so erfolgreich mit dem Museumsdirektor zusammenarbeitete, nicht umgesetzt worden. Damals dachten Diekamp und Cladders allerdings noch viel weiter. Das neue Museum sollte in größere identitätsstiftende Zusammenhänge eingebunden werden, die im geplanten Kulturzentrum Abteiberg“ hätten manifest werden können. 

Diekamp 1977: Da wesentlicher Teil solcher zentraler Stadtfunktionen aber ein lebendiges kulturelles Angebot im Herzen der Stadt sein muß, mußte hier ein Schwerpunkt städtischer Arbeit gesehen werden, und die Planung des Kulturzentrums Abteiberg, dessen erster wesentlicher Neubauteil als Ausdruck gegenwarts- und zukunftsorientierten kulturellen Bewußstseins der Museumsbau ist, entspringt solchen Überlegungen.“