DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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VON DA AN: DAS MUSEUM NEU DENKEN

Susanne Titz

1.

35 Kassettenkataloge gab das Städtische Museum in Mönchengladbach während der Jahre 1967 bis 1978 heraus. Es sind Ausstellungskataloge in Form einer Schachtel. Einige dieser Kataloge findet man heute in Kunstbibliotheken, Kunstsammlungen und Antiquariaten, andere nur noch selten oder gar nicht mehr. Diese Kataloge haben Geschichte geschrieben. Sie gehörten zum Programm des Städtischen Museums in Mönchengladbach, das in den Jahren 1967 bis 1978 viele frühe und wichtige Ausstellungen von zumeist damals unbekannten, heute berühmten Künstlern und Künstlerinnen realisierte und den Weg zum 1982 eröffneten Museum Abteiberg bahnte. 

Es war lange überfällig, die Kassettenkataloge und ihre Inhalte erneut zugänglich zu machen. Eine Wiederauflage, wie bei Büchern üblich, wäre allerdings unmöglich gewesen. Eine Neuproduktion hätte bereits rein materiell in Bezug auf die spezifischen Merkmale von Karton, Papier, Druck, Klammerungen etc. nicht zu den historischen Qualitäten zurückgelangen können. Sie hätte zudem die Nachbildung von künstlerischer Arbeit bedeutet, von Unikaten, Multiples und Fluxus-Elementen, die zu den Katalogen gehören. Diese Problematik führte zur Idee der vorliegenden Publikation. Dieses Buch zeigt eine minutiöse fotografische Aufnahme aller Kataloge und ihrer gesamten Inhalte, ausgeführt von den Künstlern Tobias Hohn und Stanton Taylor, die ihre streng dokumentarische Haltung aus der Schule von Christopher Williams auf diese Objekte des Mönchengladbacher Museumsarchivs übertrugen.

Die Idee der fotografischen Dokumentation wurde initiiert, begleitet und wird nun in einem grundlegenden Text kommentiert von der Kunsthistorikerin Susanne Rennert. Auf Einladung des Museums Abteiberg untersuchte sie in den vergangenen Jahren die Ausstellungs- und Publikationsgeschichte des alten Städtischen Museums an der Bismarckstraße und die programmatische Arbeit des Direktors Johannes Cladders in den Jahren 1967 bis 1978. Gemeinsam mit dem Museum Abteiberg erarbeitete Susanne Rennert auch eine umfangreiche Veröffentlichung zu diesen Jahren, die unmittelbar anschließend an das hier vorliegende gedruckte Buch in Form eines digitalen Archivs auf der Website des Museums Abteiberg zugänglich wird.1

Insgesamt 86 Ausstellungen, Aktionen und Veranstaltungen realisierte Johannes Cladders an der Bismarckstraße 97 in Mönchengladbach, einem langjährigen Provisorium des Städtischen Museums. Als Schauräume wurden zwei Etagen, das Hochparterre und das erste Obergeschoss, sowie das große hölzerne Treppenhaus eines historischen Patrizierhauses genutzt. Von seinem Vorgänger Heinrich Dattenberg, der das Museum in Mönchengladbach von 1947 bis 1967 führte, übernahm Johannes Cladders den visionären Plan, mittels kleiner, doch hochambitionierter und überregional ausstrahlender Sammlungs- und Sonderausstellungen auf die Notwendigkeit eines Museumsneubaus hinzuweisen. Heinrich Dattenberg war bereits im Jahr 1964 auf erfolgreichem Weg gewesen, konnte jedoch aufgrund unglücklicher Umstände – die Kaiser-Friedrich-Halle wurde durch Brand zerstört, das bereits damals für einen Neubau vorgesehene Geld wurde für ihren Wiederaufbau benötigt – sein Bauprojekt nicht realisieren.2

Claddersʼ Programm in den Räumen des Städtischen Museums stellte eine kontinuierliche Werbung für den dringend notwendigen Museumsbau dar. Zugleich war es eine Reflexion über die Institution Museum, die er ungemein praxisbezogen mit jeder Ausstellung, jeder Veranstaltung in diesen Räumen darzulegen suchte. In seinen Gedanken maßgeblich gefördert durch Willem Sandberg im Stedelijk Museum Amsterdam und Paul Wember im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld, als dessen Assistent Cladders zuvor zehn Jahre gearbeitet hatte, fand er in diesem Mönchengladbacher Provisorium die Möglichkeit, in einer vergleichsweise kleinen institutionellen Struktur3 und der ihm übertragenen öffentlichen Sammlung experimentell zu denken. Mangels Fläche gab es kein klassisches Nebeneinander von Sammlungspräsentation und Wechselausstellung. Der damals üblichere Begriff Sonderausstellung‘, in dem sich seinerzeit in den meisten Häusern das (oft nur kleinformatige) Plus zur (zentral präsentierten) Museumssammlung spiegelte, galt hier nicht: Auch Cladders’ Sammlungspräsentationen waren Ausstellungen und wurden als solche zu strategischen Punkten seiner Argumentation. 

Beginnend mit Cladders’ erstem Projekt, der Ausstellung von Joseph Beuys, die im September 1967 eröffnete und faktisch dessen erste große Museumsausstellung darstellte, wurde in Mönchengladbach die Institution Museum zum Thema. Es war eine Ausstellung, die das Publikum aufgrund einer radikal neuen Präsentationsform vielfach irritierte: Beuys’ Objekte – die Anfangsformation des heutigen Block Beuys in Darmstadt, den der Sammler Ströher unmittelbar aus dieser Ausstellung heraus erwarb4 – befanden sich einzeln oder zu Gruppen zusammengestellt in den museumseigenen Vitrinen, lagen auf dem Boden oder lehnten an den Wänden – eher Relikte als künstlerische Objekte, ohne Sockel und ohne Rahmen, gleichsam zwischen den Besuchern im Raum. Es ging um ein Gegenbild zum modernen Kunstmuseum, Abstellen, einfach Abstellen!“,5 wie Beuys äußerte, im demonstrativen Gegensatz zur autonomen, von der Realität abgehobenen Existenz der Kunstobjekte, die seit Dada, Pop Art und Nouveau Réalisme durchaus auch vom Schrottplatz stammen konnten. Es war eine Antwort auf die Werte des Kunstmarkts und auf die Isolation der Kunst in den traditionellen Institutionen. Beuys demonstrierte 1967 im Museum Mönchengladbach einen erweiterten Skulptur- und Kunstbegriff. Hier ging es um Depot, Archiv oder Schaulager in der gesamten kultur- und institutionskritischen Dimension, um eine Definition und Reflexion des Museums als einer anthropologischen Institution, um einen Ort für die Objekte und multiplen Angelegenheiten der Menschheits‑, Kultur- und Naturgeschichte.

Die Museumsräume in der Bismarckstraße ließen die Institution Museum unter anderen Merkmalen, gewissermaßen in Anführungszeichen beziehungsweise in Fragezeichen erscheinen. Das ziemlich schlichte Provisorium von Cladders‘ Institut“6 diente fortan der permanenten Reflexion des Museumsdirektors: vor den Augen und Ohren seines Publikums, gemeinsam vorgetragen mit den eingeladenen Künstlern und Künstlerinnen. In zumeist installativen, oft aus Materialien vor Ort und speziell für diesen Ort produzierten Ausstellungen, die eine damals außergewöhnliche (einem Kunstverein ähnliche) Arbeitsweise des Museums bedeuteten; in Eröffnungsreden und didaktischen Veranstaltungen, die verbale bzw. gesellschaftliche Vermittlung leisteten;7 und in jenem Leitmedium, das Johannes Cladders mit Hilfe von Joseph Beuys entwickelte oder das sie beide zusammen im Strom der damals akuten Gedanken der Gegenwartskunst erfanden: dem Kassettenkatalog. 

Das Format der Kassettenschachtel für die Ausstellungskataloge des Städtischen Museums in Mönchengladbach erklärte sich nach Erinnerung von Johannes Cladders zunächst vorrangig aus finanziellen Überlegungen. Zu Beginn seiner Direktion in Mönchengladbach bemerkte er, dass Ausstellungskataloge als gebundenes Druckprodukt sehr teuer für den mageren städtischen Etat würden, zumal der Durchlauf seines Jahresprogramms damals, wie auch in anderen Museen seinerzeit üblich, eine Laufzeit von rund 4 bis 6 Wochen je Ausstellung vorsah. Cladders wollte mit den Schachteln sehr flexibel in größeren und sehr kleinen Auflagen planen, zudem eine Attraktion für Sammler anbieten, die jener der damals populär werdenden künstlerischen Editionen entsprach.

Eher beiläufig äußerte sich Cladders selbst über die konzeptuellen Aspekte, die hinter dem neuartigen Format Kassettenkatalog standen, doch ganz eindeutig zielte er mit diesem Medium auf eine veränderte Vermittlung der Gegenwartskunst ab. Er wollte ein Publikationsformat des Museums, das dem Denken und den Medien der Kunst dieser Zeit entsprach. Cladders folgte den künstlerischen Bedürfnissen nach eigener Erläuterung und Kommunikation. Er folgte den vielfältigen institutionskritischen Selbstermächtigungen, die aus der Konzeptualisierung, Entmaterialisierung und Medialisierung der künstlerischen Arbeit in den 1960er Jahren erwuchsen, und überließ ihnen den Raum, den sie forderten. Es handelt sich hier um teils hochgradig reflektierte Texte. Rückblickend betrachtet waren sie den Interpretationen von Kritik und Kunsthistoriker:innen – auch den eigenen Gedanken von Cladders – in vielen Fällen weit voraus.8

Die Mönchengladbacher Kassettenkataloge waren daher ein publizistisches Museumsprojekt, das diesen Phänomenen konsequent folgte und in eben jener Konsequenz das vertraute Format der Museumskataloge verließ. In Frage gestellt wurde das gesamte Produkt eines klassischen Ausstellungskatalogs und dessen obligatorische Abfolge und Ordnung von Vorwort, kunsthistorischem Text, Werkabbildungen (meist schwarz/​weiß, seltener Farbtafeln),9 Verzeichnis der ausgestellten Werke und Künstlerbiografie. In Frage gestellt wurde auch die kunsthistorische Autorität des Museumskatalogs. Man könnte ebenso sagen, dass die Existenz dieser Autorität plötzlich offenstand bzw. aufgeschoben war: Denn das Publikum wurde mittels der Proposition“ (Daniel Buren) dieser Schachteln mitten in die künstlerische Arbeit und in die museale Arbeit hineingezogen, es wurde mittels unterschiedlicher Materialien und deren Schichtung in losen Blättern zu eigener Anschauungs‑, Denk- und Ordnungsarbeit aufgefordert.10

Cladders’ unmittelbare Verbindung zum konzeptuellen künstlerischen Denken wird deutlich, wenn man die komplexen Mönchengladbacher Projekte von Daniel Buren in den Jahren 1971 und 1975 betrachtet: Burens 1971 produziertes Pilotprojekt für neuartige Kunst im öffentlichen Raum, das er gemeinsam mit Cladders in 13 (!) weiteren deutschen Städten umsetzte, sowie Burens Darlegung seiner Rahmentheorie, die er 1975 in seinem zweiten Kassettenkatalog publizierte und anhand der Ausstellungsgeschichte von 1967 bis 1975 veranschaulichte. Und wenn man erfährt, dass Cladders jener vom Künstler ausgewählte Museumsdirektor war, der in Marcel Broodthaers’ Musée d’Art Moderne, Départment des Aigles am 27. September 1968 die offizielle Eröffnungsansprache hielt. Inmitten eines Ensembles aus aufgestapelten Museumskisten, die Broodthaers in dieser ersten Manifestation seines selbstreflektierenden, institutionskritischen Museumsprojekts in seiner Brüsseler Wohnung vorführte, nahm der reale Museumsdirektor die Rolle eines Performers ein: Er hielt eine Rede über die notwendige Erneuerung der Institution Museum mit der Überschrift Schüttelt Staub ab!“.11

Der Text dieser Rede erschien in umfassenderer Form als Das Antimuseum. Gedanken zur Kunstpflege“ in BELEG, der Kassette zu den ersten Neuerwerbungen, die im Sommer 1968 erschien. Dort wurde der Text zu einem Manifest, das sich im Inhalt der Schachtel belegen‘ sollte: in der Darstellung der enorm zahlreichen Erwerbungen von aktueller Gegenwartskunst im ersten Jahr;12 in einer ungewöhnlichen Alltagsästhetik von Kassette und Inhalt (Cover wie ein Schul- oder Büroheft); in einem Nachdruck von Monsignore Otto Mauers exzeptionellem Vortrag über die Kunst am Eröffnungsabend von Beuys; und in der Beilage von zwei faksimilierten, wie Originale wirkenden Zeitungsrezensionen,13 die den schlagenden Erfolg der ersten Ausstellungen erneut in Erinnerung rufen sollten. 

Die Reihe der 35 Kassettenkataloge von 1967 bis 1978 zeigt auf, dass man Cladders’ institutionelle Programmatik nicht auf die bekannt gewordenen Einzelausstellungen reduzieren kann – seien es die von ANDRE, DARBOVEN, BROUWN oder RICHTER, sondern weniger bekannte Ausstellungen und Kataloge ebenso wichtig und charakteristisch für seine Arbeit sind. Nach BELEG im Jahr 1968 produziert er in BELEG II und RÄUME wiederum strukturiert erläuternde Dokumentationen der aktuellen Sammlungsarbeit. In den beiden Katalogen RATIONALE SPEKULATIONEN und PROGRAMM, ZUFALL, SYSTEM erläutert er die konstruktive Theorie der Kunst im 20. Jahrhundert und ihre Entwicklung vom Prinzip konstruktivistischer Zeichnung hin zu Computergrafik und algorithmischen Formen. In Entsprechung zur strukturalistischen Herangehensweise der Künstler:innen und allmählich sich verändernder Ansätze in der Kunstwissenschaft14 will Cladders eine inhaltliche Auseinandersetzung des Publikums initiieren, bezogen auch auf das Sammeln, die Kunstgeschichte, das anthropologische Phänomen von Kunst und Kunstmuseen, den Kult und die Kirchen, die höfischen Wunderkammern, die bürgerlichen Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts. Diese Ebene der historischen Vermittlung war ein extrem wichtiges Moment seiner Arbeit. Er hielt Diavorträge, mit denen er die chronologische Ordnung der Kunstgeschichte, deren Epochen und Klassifizierungen in Frage, aber auch synästhetische Aspekte von visueller und akustischer Wahrnehmung in den Raum stellte. Es gab parallele Projekte in beiden Ausstellungsetagen, die mehr oder weniger hintersinnig in der Art einer Gegenüberstellung erschienen (parallel zu ANDRE: Druckgrafik von Honoré Daumier), Ausstellungen wie ZEIT OHNE ZEIT, in denen Cladders die Kunst der Gegenwart mit dem historischen Bestand seiner typischen städtischen Sammlung zusammenbrachte (mittelalterliche Geschirre, historische Landkarten, koptische Stoffe), um die mögliche Infragestellung von Klassifikationen, Zeit- und Kunstordnungen vor Augen zu führen. 

Cladders’ Thematisierung des Museums war eine kontinuierliche Werbung für den überfälligen Museumsneubau. Er hielt kaum eine Einführungsrede ohne Erwähnung dieser Notwendigkeit. Doch es ging ihm auch um einen ideellen Neubau. Er übte Institutionskritik, richtete sich gegen das Verstaubte“, das im Begriff des Musealen“, so Cladders, den klarsten Beleg dafür gab, dass Museen nicht für die Gegenwart, sondern für die Vergangenheit standen. Für die heute geläufige Geschichte der Institutionskritik, auch die in den vergangenen Jahren entstandene Neurezeption des Begriffs Antimuseum“ (vgl. die Anthologie Anti-Museum, 201715) ist es allerdings wichtig zu betonen, dass es in Cladders’ Begriffen zunächst um eine Bewegung vom Institut“ hin zur Institution ging. Institution“ bedeutete für ihn Erneuerung des Museums für die Gegenwart und eine Selbstreflexion des Museums als eine durch die Gesellschaft der Gegenwart getragene Einrichtung. Es ging dabei auch um eine Öffnung der vier Wände des Museums in das öffentliche Geflecht der Stadt und um einen Selbstauftrag, der darauf zielte, dass die Gegenwartskunst außerhalb dieser Museumswände in der Stadt wirksam wird. Cladders wollte vermitteln, dass Gegenwartskunst gut für die Stadt ist und dass sie die Stadt verändern kann. Als langjähriger Assistent des progressiven, lokal oft umstrittenen Museumsleiters Paul Wember in Krefeld und als promovierter Germanist und Journalist in den frühen Jahren der BRD wusste er um die Dialektik der gesellschaftlichen Konfrontation und Kraft, die in der Kultur lag, und agierte aus dieser Erfahrung heraus extrem geschickt in seiner Anfangszeit als Museumsdirektor, da er vieles bedachte. Unter dem Titel Schüttelt Staub ab!“ gelang ihm eine Veröffentlichung seines Brüsseler Vortrags als Leitartikel in Christ und Welt“, einer der weitverbreitetsten Zeitungen im Deutschland der Nachkriegszeit.16 Er kommunizierte mit der lokalen Politik und Verwaltung.17 Er suchte nach einer Kommunikation der künstlerischen Avantgarde mit der bürgerlichen Gesellschaft, die in großen Teilen kritisch bis aggressiv gegen das Neue war und in den lokalen Medien beruhigt werden musste, in einem kleinen, zunehmend wachsenden Teil indessen begeistert wurde und Kunst als ein Zeichen eigener Emanzipation und Befreiung verstand: Museum und Museumsverein wurden Ort und Verein der avantgardistischen Gesellschaft der Stadt, Ausstellungseröffnungen und anschließende Privatempfänge des Kulturdezernenten oder des Vorsitzenden des Museumsvereins zu einem Kontakthof der lokalen Gesellschaft mit der internationalen Welt.18 Damit entstand die Basis für einen Neubau des Museums und den Direktauftrag an Hans Hollein, dessen architektonische Aufgabe im Jahr 1972 zunächst auch eine städtebauliche war: Er sollte das neue Museum im Gesamtkonzept eines Kultur- und Bildungsbergs entwerfen, ein kulturelles Zentrum in den emanzipatorischen Begriffen der 1960er Jahre mit benachbarten Institutionen von Stadtbibliothek und Volkshochschule und einer urbanen Zeichenhaftigkeit des begehbaren Museumsdachs, seiner Treppen und Brücke zur Schule als Sinnbild der Verbindung zwischen Museum und Stadt.

Das Museum Abteiberg als ein Scharnierstück zwischen den 1960er und 1980er Jahren lässt sich erklären aus der Vorgeschichte des alten Städtischen Museums an der Bismarckstraße und den Kassettenkatalogen, die dort produziert wurden. Seine berühmt gewordene Architektur, Initiation für den weltweiten Museumsboom und tatsächlicher Ursprung des Bilbao-Effekts‘, entstammt diesem Programm. Die Unterschiede des Mönchengladbacher Museums zu vielen folgenden Bauten beruhen auf diesem Programm, sie haben ideologische Ursachen in den Reflexionen der 1960er Jahre, führen zurück zu Geschichtskritik und strukturalistischem Denken und zu den Idealen der Emanzipation und Partizipation des Kunstpublikums.19

1978 endete das Programm im alten Museum. Als 1982 das Museum Abteiberg eröffnete, war es in einer anderen Zeit. Verloren ging einiges aus der Zeit zuvor, manche Inhalte der auffälligen Formen seiner Architektur wurden unlesbar. Der Kassettenkatalog von Hans Hollein aus dem Jahr 1970 mit den Materialien seiner Ausstellung und dem Abdruck seines Manifests Alles ist Architektur“ ist in dieser Hinsicht ein Beleg.

Ende der 1970er Jahre ereignete sich ein Paradigmenwechsel. Die Ära der konzeptuellen entmaterialisierten“20 Kunst, die von vielen als sehr intellektuell und hermetisch angesehen worden war, endete in dieser Zeit. Sie löste sich auf zugunsten eines pluralistischen Kunstbegriffs, der im Hunger nach Bildern“, in Neoexpressionismus und Malerei der frühen 1980er Jahre seine auffälligste Erscheinung gewann, aber auch eine virtuose Kanonisierung mancher Protagonisten zeigt, einen Wandel von konzeptuellen zu ästhetischen Mitteln (vgl. Beuys, Andre, Buren, Richter, Kounellis)21 und einen neuartigen Gesellschafts- und Marktwert des Kunstobjekts. Es entstand eine zuvor ungeahnte Popularität von Gegenwartskunst: Deren Räume wurden größer, Flächen für Sonderausstellungen expandierten. Eine neue Art von Repräsentation hat sich für die Institution Museum seit den 1980er Jahren entwickelt, parallel eine auffällige Wiederkehr der repräsentativen Funktion von bildender Kunst. Cladders’ Gedanke vom Antimuseum in Permanenz“ ist vor diesem Hintergrund ein mögliches Korrektiv, eine Aufforderung, Institut und Institution des Museums stets neu in einer widerständigen Idee zu denken, im Bewusstsein auch der modernen Dialektik von Widerstand und Komplizenschaft“,22 die hier nochmals im Faksimile nachlesbar wird.

Soweit das Museum für die Kunstpflege schlechthin stehen soll, wird es das Antimuseum in Permanenz bleiben müssen, denn nur als solches kann und wird es selbst seinen eigenen Namen überdauern.


* Von da an“, der Titel dieses Texts geht zurück auf den Titel der Ausstellung von Daniel Buren im Jahr 1975, À partir de là“. Ihn lieh uns Buren dankenswerter Weise auch für die große Ausstellung unseres Projekts 2017/18 im Museum Abteiberg und in den ehemaligen Räumen des Städtischen Museums Mönchengladbach: Von da an. Räume, Werke, Vergegenwärtigungen des Antimuseums 1967 – 1978 (13.9.2017 – 18.2.2018).

Quellenangaben / Anmerkungen