DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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PANAMARENKO. Das Flugzeug

ALTE LANDKARTEN, ANSICHTEN UND METALLGESCHIRRE, Museum Mönchengladbach 1969, Raum VII, Foto: Ruth Kaiser, Archiv Museum Abteiberg Parallel Alte Landkarten, Ansichten und Metallgeschirre
PANAMARENKO. Das Flugzeug PANAMARENKO, Museum Mönchengladbach 1969, Gartensaal (Raum II), Foto: Albert Weber, Archiv Museum Abteiberg, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Grundriss Erdgeschoss 2 neu
Einladungskarte PANAMARENKO. DAS FLUGZEUG, 1969

PANAMARENKO. Das Flugzeug, 14.8. – 14.9.1969
Panamarenko (1940 Antwerpen – 2019 Antwerpen)

Gartensaal (Raum II)
gleichzeitig im 1. OG: Alte Landkarten, Ansichten und Metallgeschirre

Rekonstruktion und Text: Susanne Rennert


Der belgische Künstler Panamarenko baute das Flugzeug im Jahr 1967. Bei dem so raumgreifenden wie fragilen Objekt, das bei 16 Meter Länge nur 30 Kilo wog, handelte es sich um den ersten der von ihm konzipierten und konstruierten poetischen Flugapparate. Zum Zeitpunkt der Mönchengladbacher Ausstellung, die mit der Antwerpener Galerie Wide White Space realisiert wurde, besaß das Flugzeug bereits eine gewisse Bekanntheit im Rheinland. Auf Einladung von Joseph Beuys, der Panamarenko für eine Professur vorschlagen wollte, war es im Mai 1968 mit einigen weiteren Objekten im Flur der Düsseldorfer Kunstakademie ausgestellt worden. Anny De Decker, Galeristin von Beuys und Panamarenko, erinnert: Die Professur ging nicht durch, aber für Panamarenko war es doch ein wichtiges Ereignis. Georg Jappe und Hans Strelow schrieben über den naiven Ingenieur‘. Friedrich Heubach und Lutz Schirmer begegnetem ihm und veröffentlichten später über ihn in Interfunktionen‘.“1

Rheinische Post, 7.8.1969
Rheinische Post, 7.8.1969
Rheinische Post, 7.8.1969

In Mönchengladbach wurde die Skulptur mit Fahrradantrieb und sechs, den Rotorblättern eines Helikopters nachempfundenen, Flügeln aus Styropor und Papier diagonal im Gartensaal aufgestellt, sprengte dort aber die Dimensionen des Raums. Klaus U. Reinke, der für verschiedene Zeitungen über die Ausstellung berichtete, schrieb in der Westdeutschen Zeitung: Es ist eine Mischung aus Rennrad, Segelflieger und Hubschrauber. Mitten auf einer zehn Meter langen Stange sind ein Rennradsattel, ein tiefgebogener Rennlenker und Pedalen mit Haken und Riemen installiert. Die Pedalen treiben über lange Keilriemen jeweils am Ende der Stange eine Dreier-Gruppe von Flügeln, die entfernte Ähnlichkeit mit der Luftschraube von Hubschraubern haben. Aber in Bewegung setzen lässt sich die Apparatur nicht, jedenfalls in Mönchengladbach. Die Abmessungen des Museums sind ihr nicht gewachsen. Die vordere Luftschraube ist mit einem Flügel in der Tür des größten Saales im Hause festgekeilt. Und jeder Besucher, der das ganze Objekt in Augenschein nehmen will, muß gebückt unter diesem Flügel her durch den unteren Teil der Türfüllung klettern.“2

Fotos der Ausstellungseröffnung von Albert Weber

Panamarenkos spielerischer und ironischer Umgang mit der Technik und dem Thema einer potentiell möglichen Expansion in den Raum allein kraft der imaginativen, intellektuellen und körperlichen Energie eines Einzelnen, der hier wie Leonardo da Vinci als Künstler, Erfinder, Forscher und Ingenieur in Personalunion auftrat, animierte den Museumsdirektor zu eigenen freien Assoziationen. Bei der Ausstellungseröffnung lief ein von Johannes Cladders speziell für diesen Anlass produziertes Tonband. Es enthielt seine aufgenommene Eröffnungsrede, der eine selbst komponierte Sound-Collage vorgeschaltet war. Zu hören sind Flugzeuggeräusche, Gänsegeschnatter, Autobahngeräusche an einer Raststätte, Sirenengeheul sowie eine Radioreportage über den Raketenstart von Apollo 11 am 16.7.1969.3

Korrespondenz Johannes Cladders mit Anny de Decker

Besonders vor dem Hintergrund der medial überaus präsenten NASA-Mission und der erfolgreichen Mondlandung der US-Amerikaner nur vier Wochen vorher gewann Panamarenkos selbstbewusste Demonstration zusätzliche Aktualität. Der Perfektion einer Saturn-Rakete, die den Transport von Menschen und Material zum über 380.000 km weit entfernten Mond bewältigt hatte, stand hier die regressive Utopie“4 eines Künstlers gegenüber: eine handgemachte im Prinzip flugtaugliche Skulptur mit schlichtem Pedalantrieb und zerbrechlich wirkendem Gestänge, das durch banale Klebestreifen deutlich sichtbar fixiert und verstärkt war. Panamarenkos Flugzeug führte jede Vorstellung einer militärischen Instrumentalisierung ad absurdum. Der für das Verständnis seiner Flugmaschinen zentrale Aspekt des Handwerklichen, Gebastelten und Selbst-Verantworteten erhält gerade aktuell vor dem Hintergrund der Diskussion um die Themen Künstliche Intelligenz und ferngesteuerte Drohnen neue Relevanz.

Museum Mönchengladbach, handschriftliche Notiz, Archiv Museum Abteiberg
Museum Mönchengladbach, handschriftliche Notiz, Archiv Museum Abteiberg
Museum Mönchengladbach, handschriftliche Notiz, Archiv Museum Abteiberg

An der gut besuchten Eröffnung inszenierte sich Panamarenko in der Rolle des Piloten. Der Künstler, der den amerikanischen Luftfahrtpionier und Filmproduzenten Howard Hughes verehrte5 und mit seinem Künstlernamen vermutlich auf die amerikanische Fluggesellschaft Pan American anspielte6, trug Hemd, Krawatte und eine khakifarbene Tropenuniform. Dieselbe Uniform, die nicht zuletzt Erinnerungen an die koloniale Vergangenheit Belgiens wachruft, trägt er auf dem Portraitfoto von Maria Gilissen, das er als Abbildung für die Vorderseite seines Kassettenkatalogs auswählte.7 Es zeigt Panamarenko auf dem Flughafen Deurne bei Antwerpen vor einer Douglas DC3 – einem robusten bewährten Transport- und Passagierflugzeug, das 1936 in Produktion ging.

Anhand von Panamarenkos Ausstellung wird erneut die gelungene Synchronisierung der Arbeit von Museumsdirektor und Galeristen sichtbar, die ihre Kräfte im Einsatz für den aufstrebenden jungen Künstler bündelten, der bereits an wichtigen Ausstellungen wie Prospect, Op Losse Schroeven oder When Attitudes Become Form teilgenommen hatte. Am Tag nach der Mönchengladbacher Eröffnung eröffnete Konrad Fischer in Düsseldorf eine Ausstellung mit Panamarenkos Beschleunigern.8 Beide Ausstellungen wurden von der Presse teils gemeinsam besprochen bzw. auch als Doppelausstellung“ wahrgenommen. Zu den vermutlich sechs, nur ca. 6 x 8 x 10 cm großen insektenartigen Flugapparaten schrieb Yvonne Friedrichs in ihrer Rezension Die Träume des Ikarus“ in der Rheinischen Post: Auch die Liliput-Maschinchen […] verraten die gleiche technische Ignoranz‘. Es sind gebrechliche kleine Objekte aus Plexiglas, Rädchen, untauglichen Magneten und Motoren ohne Antriebskraft, aus denen Drähtchen wie zarte Pflanzenranken herauswachsen.“9

An der Eröffnung waren neben der belgischen Gruppe um Anny De Decker, Bernd Lohaus und Isi Fiszman, dem Sammler Reiner Speck, den Galeristen Dorothee und Konrad Fischer auch die Düsseldorfer Künstler Jörg Immendorff und Chris Reinecke zugegen, die wenige Tage später im Rahmen einer LIDL-Woche“ im Antwerpener Aktionsforum A 379089 (17. – 25.8.1969) mit Panamarenko, Broodthaers, König u.v.a. eine Radtour von Antwerpen nach Brüssel mit Ziel des Musée d´Art Moderne, Département des Aigles“ von Marcel Broodthaers unternahmen. Im Oktober präsentierte Museumsdirektor Johannes Cladders – nun in der Rolle des Künstlers – eigene Werke und Aktionen unter dem Titel VACATION WORK VACATION (or cladders in a) im Antwerpener A 379089 (7. – 10.10.1969).

Das Flugzeug wurde aus Mönchengladbach nicht zurück zur Galerie Wide White Space nach Antwerpen, sondern an die Galerie Rudolf Zwirner nach Köln transportiert, wo es ab 13.10.1969 im sogenannten Lagerhaus“ der Galerie in der Albertusstraße gezeigt wurde.

Drucksachen: Einladungskarte, Kassettenkatalog

Quellenangaben / Anmerkungen

Johannes Cladders, Rede zur Eröffnung der Ausstellung

Vor Beginn der Rede waren zunächst Tonbandaufnahmen zu hören (Anm. d. Red.): Flugzeuggeräusche (ca. 3:30 Min), Gänsegeschnatter (ca. 1:30 Min), Autobahngeräusche an einer Raststätte (ca. 1:45 Min), Sirenengeheul (ca. 1:30 Min), Radioreportage über den Raketenstart von Apollo 11 am 16.7.1969 (ca. 4:35 Min)

Meine Damen, meine Herren,

bei den Geräuschen, die Sie gerade hörten, handelte es sich um Tonbandaufnahmen startender und landender Flugzeuge – meist Düsenmaschinen –, um das Geschnatter einer Schar Gänse, die in den Teich getrieben wird, um die akustische Kulisse eines Autobahnrastplatzes, um das Heulen von Luftalarmsirenen und zum Schluss um eine Rundfunk-Reportage des Apollo 11 Starts am 16. Juli dieses Jahres. Es war nicht die Absicht, einen besonderen Spaß, einen extravaganten Gag mit dem Abspielen dieser Tonbandaufnahmen zu bieten.

Es geht um dies: Das Flugzeug in diesem Raum hier ist zweifellos nicht als Flugmaschine im üblichen Sinne anzusprechen. Um sich zu erheben, um an Höhe gewinnen zu können, fehlen ihm sämtliche technischen Voraussetzungen. Es ist ein Flugzeug, das zu dieser Bezeichnung nur kommen kann – oder gekommen ist – über die Brücke der Assoziation. Auch ein Spielzeugflugzeug, eines dieser statischen Dinge aus geprägtem Blech oder Kunststoff etwa, das die Form eines großen Verkehrsflugzeugs, eines Hubschraubers oder Düsenjägers exakt nachahmt, ist unfähig zu fliegen. Auch ihm fehlen, wie dem Flugzeug von Panamarenko, die technischen Voraussetzungen dazu. Dennoch ist es ein Flugzeug, ein Flugzeug, dessen Motor oder Antriebskraft – dessen Flugfähigkeit – durch Fantasie zu ersetzen ist. Es „fliegt“, wenn man es mit der Hand durch die Luft führt, und es fliegt noch rasanter, wenn man dazu das Motorengeräusch mit dem Mund imitiert.

Verglichen mit dem Spielzeug ist Panamarenkos Flugzeug aber auch noch kein Flugzeug. Es ist ja gar keine exakte Imitation, und die fehlende Technik lässt sich auch nicht durch Fantasie ersetzen – im Gegenteil. Was es an formalen und technischen Daten besitzt, könnte eher für eine Flugtüchtigkeit sprechen. Denken wir nur an die frühen Vorstellungen von Flugmaschinen als deren Antriebskraft die Körperkraft des Fliegenden gedacht war. Hier gibt es vielleicht Vergleichspunkte. Doch sie sind heute irrelevant, denn das Flugzeug ist ja in der Form und den Typen realisiert, die heute tatsächlich unseren Luftraum durchqueren. Sie allein sind für uns die Realität Flugzeug, von der wir ausgehen müssen und auch ganz selbstverständlich ausgehen. Nicht also Imitation und Fantasie, sondern Assoziation heißt die Brücke, die zu dem realen Flugzeug unserer heutigen Wirklichkeit führt, denn dieses Flugzeug von Panamarenko ist ein surreales Objekt. Nicht unbedingt im Sinne der Kunstrichtung, die den Namen Surrealismus trägt, sondern in dem weiteren Sinne, dem nach die Realität der Kunst zugleich auch surreal ist. Die Kunst bedarf nur der Assoziation, auch die Kunst eines sogenannten Realismus, um in ein Bezugssystem zu kommen, um aus seiner Eigensprache – aus seiner Geschlossen- und Verschlossenheit – in die Sprache der Interpretation überführt zu werden. Und Interpretation ist auch bereits der vom Künstler oder Betrachter gegebene Titel eines Werkes. In diesem Falle der Titel „Flugzeug“, angesichts dieses Objekts. Er kommt ganz selbstverständlich durch Assoziation zustande.

Die Geräusche vom Tonband, die Sie nun eben hörten, sind ebenfalls Assoziationsmaterial; doch mit Beigesellungen einer gewissen negativen oder Anti-Tendenz. Sie zielen nicht im Sinne einer Geräuschkulisse – einer Tonimitation – auf Identifikation, sondern eignen sich eher zur Absetzung. Sie sind nicht Untermalung, sondern Kontrast. Das Flugzeug, das – wie gesagt – kein Flugzeug ist, das also niemals diese Geräusche, wie sie auf jedem Flugplatz zu hören sind, erzeugen könnte, stellt sich – konfrontiert mit solchen Geräuschen – eigentlich und zunächst noch mehr und deutlicher als jenseits flugtechnischer Realität existierend dar. Je nach Interpretationsmentalität des jeweiligen assoziierenden Betrachters und Hörers kann die Diskrepanz von Ton und Objekt bis zur Belächelns- oder auch Belachenswürdigkeit führen – andererseits aber gerade dadurch zum Erkennen der völligen Isolation, in der dieses Objekt gegenüber der flugtechnischen Welt lebt. Es gewinnt also mehr an Eigenexistenz im Bereich der Interpretation ohne Worte.

Auch die anderen Tonaufnahmen dienen der assoziierend-interpretierenden Einkreisung. Das Gänsegeschnatter ist ein Geräusch, das einer heute kaum noch erlebbaren Bauernhofromantik angehört und – abgesehen von der reinen Produktionsstätte, der Fabrik Geflügelfarm, auch nicht mehr bedeutungswichtig für die Landwirtschaft ist. Nun, dieses Objekt Flugmaschine hier ist ebenfalls in seinem Bereich der Flugtechnik bedeutungslos. Dennoch haben wir kein Objekt der Vergangenheit vor uns, nicht die schöne Erinnerung an die gute alte Zeit. Insofern auch in diesem Objekt etwas Romantik mitschwingt, ist es die Elementare des Wunsches zu fliegen, ist es ein Zipfelchen des auch nach geglückter Mondlandung immer noch lebendigen Traums von Schwerelosigkeit, Schweben und unbegrenzter Bewegungsfreiheit. In diesem Traum sind die Vögel das Vorbild und Urbild. Wenn ich sie zur Verfügung gehabt hätte, wäre vielleicht auch eine Aufnahme von Vogelgezwitscher beim beginnenden Tag als Assoziationsmaterial brauchbar gewesen. Doch schließlich sind Gänse auch Vögel – obwohl sie als Hausgänse nicht einmal richtig fliegen können; und das kann unser Flugzeug trotz seines Namens auch nicht. Die Autobahngeräusche beinhalten immer noch die uns nächstliegenden Gefühle und Erfahrungen von Geschwindigkeit. Wir haben sie alle im Auto erlebt –mehr als das bei einem Flugzeug möglich wäre, das uns – insbesondere als Insassen – während des eigentlichen Höhenflugs eher statisch als in Bewegung erscheint. Das dieses Objekt hier bewegungslos ist – erst recht zu schweigen von Geschwindigkeit - wird in der Gegenüberstellung zu einem Geräusch der Geschwindigkeit doppelt deutlich. Eine negative Einkreisung, die aber nicht nur ausschaltet, sondern auch einbezieht. Denn dieses Objekt verweist auch als Flugzeug – insbesondere als Flugzeug wie hier mit Rennrad-Anklängen – auf die leichte und schnelle Art der Verbindung von Ort zu Ort. Sind mit den Autobahngeräuschen Erfahrungen von uns allen verbunden, so mit dem Sirenengeheul noch mit einem Großteil von uns. Dass es dieses Geheul gegeben hat und – was gravierender ist – dass es leider nur allzu oft der Beginn eines traurigen Massakers war, ist außerhalb des Kontextes Flugzeug nicht zu denken. Und wenn heute die Sirenen zur Probe heulen, wird manchen eine Gänsehaut überlaufen, obwohl es doch ein ungefährliches Probieren ist. Und wieder ist dieses Unbehagen untrennbar von der Maschine in der Luft. Das Flugzeug hier ist fast lächerlich harmlos. Dennoch – als Flugzeug und vielleicht gerade als surreales Objekt, als Nicht-Flugzeug, als Assoziationsflugmaschine – assoziiert es auch das Sirenengeheul, beinhaltet es auch den möglichen Missbrauch einer technischen Errungenschaft. Eine Flugmaschine ist nicht nur strahlend, sondern auch makaber. Will man schließlich dieses Objekt hier auf den allerletzten Platz technischer Errungenschaften verweisen, dann braucht man sich nur wieder die Reportagen vom Start der Apollo 11 Rakete in Erinnerung zu rufen. Ein größeres Missverhältnis zwischen Panamarenkos Flugmaschine und dem Stand der Technik lässt sich optisch und akustisch kaum herstellen.

Das bringt mich zum Schluss meiner assoziierend interpretierenden Überlegungen anhand von Geräuschen. Eines der berühmtesten Beispiele aus der Geschichte der Entwicklung der Flugtechnik ist die Arbeit an der Konstruktion einer Flugmaschine durch Leonardo da Vinci. Er eilte seiner Zeit spekulativ voraus unter Einsatz der technischen Mittel, die damals denkbar waren. Panamarenko dagegen benutzt für sein Flugzeug eine Technik – wenn man in diesem Zusammenhang diesen Ausdruck überhaupt anwenden darf – die der Zeit Leonardos angehören könnte. Sie steht in keinerlei Konkurrenz zu den bereits realisierten Möglichkeiten von heute – erst recht nicht den denkbaren der Zukunft. Es zeigt sich an seinem Flugzeug besonders deutlich die Ohnmacht des Künstlers unserer Gegenwart gegenüber der Macht der Technik, aber eben so deutlich auch seine spezifische Stärke. Sie liegt nicht im Bereich handgreiflicher Erstellung, sondern intellektueller Bewältigung; nicht in der Physik, sondern in der Metaphysik; nicht im Vordergründigen, sondern im Hintergründigen; nicht im Produzieren, sondern im Reflektieren; nicht im Realen, sondern im Surrealen. Nach langer Entwicklung, an deren Anfang die Identität von Physik und Metaphysik stand – denken wir nur an die Jagdzauber der Steinzeit, die ja eine Art technischer Waffe waren –, war in der Renaissance die Trennung endgültig vollzogen. Leonardos Flugzeug mag unter anderem diese Trennungslinie bezeichnen. Er vereinigte in sich noch den Künstler und Techniker. Panamarenkos Flugzeug könnte beispielhaft für die Auseinanderentwicklung stehen, und zwar für den Punkt dieses Prozesses, an dem das Gewicht der Technik das Gegengewicht auch der Kunst braucht, um nicht ein Übergewicht zu erhalten, das nicht zuletzt ihr selbst gefährlich wird.

Panamarenkos Flugzeug ist, gemessen an einer realen Düsenmaschine von heute, ein surreales Objekt. Aber es trifft sich mit ihr doch auf der Ebene einer Realität, die sich von der Notwendigkeit her begreift. Auf dieser Ebene der Notwendigkeit gibt es kein Auseinanderentwickeln, sondern nur Ergänzung.

KASSETTENKATALOG ZUR AUSSTELLUNG

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KASSETTENKATALOG ZUR AUSSTELLUNG
PANAMARENKO. Das Flugzeug, 14.8.-14.9.1969

Schachtel aus braunem Karton, roter Aufdruck auf der Seite

recto: aufgeklebte S/​W‑Abb. mit Porträt Panamarenko nach einem Foto von Maria Gilissen, verso: aufgeklebtes Textblatt mit Biografie des Künstlers und Text von J. Cladders, geklammert, 21 × 17 × 3 cm 

Inhalt: gerollte Paketschnur, am Boden und am Deckel innen mit transparentem Klebestreifen befestigt. Die Länge der Schnur entspricht der größten Spannweite des in der Ausstellung präsentierten Flugzeugs. 

Auflage: 330 Exemplare

Preis in der Ausstellung: 3 DM

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Verzeichnis der ausgestellten Werke

Das Flugzeug, 1967 [auch unter dem Titel Sechs-Flügel-Helikopter bekannt]

Aluminiumrohre, Stahldrahtseile, Klebeband, Keilriemen, Fahrradsattel (Leder) und -lenker, 2 Fahrradpedale, 2 Felgen, 6 Flügel aus Styropor, Maße 150 x 700 x 1600 cm, Gewicht ca. 30 kg, heute (in restaurierter Version) im Kunstmuseum Wolfsburg (Abgerufen am 1.2.2019, für Hinweise danke ich Anny De Decker und Holger Broeker, Kunstmuseum Wolfsburg – Anm. S.R.)

Kassettenkatalog

Einladungskarte / Plakat / Druckerzeugnisse

Archiv Fotografien

Foto Credits

Archiv Audio

Archiv Dokumente / Korrespondenz

Archiv Presse

Kurzankündigungen / Meldungen
o. V., Flugzeug im Museum, in: Rheinische Post, 7.8.1969 (darin enthalten: Ankündigung für Alte Landkarten, Ansichten und Metallgeschirre)
o. V., Ausstellungen im Museum, in: Westdeutsche Zeitung, 7.8.1969
o. V., o. T., in: Westdeutsche Zeitung, 9.8.1969
o. V., Neue Ausstellung im Museum, in: Amtl. Mönchengladbacher Mitteilungen, 10.8.1969 (darin enthalten: Ankündigung für Alte Landkarten, Ansichten und Metallgeschirre)
o. V., Happening, in: Westdeutsche Zeitung, 16.8.1969
o. V., o. T., in: Westdeutsche Zeitung, 19.8.1969
o. V., Museums-Flugzeug im Radio, in: Rheinische Post, 23.8.1969
o.V., Ausstellung noch bis Sonntag, in: Westdeutsche Zeitung, 12.9.1969


Berichte / Rezensionen / Kommentare

Majo Müller in der Au, Der weiße Riese im Museum. Ausstellung eines surrealen Flugzeugs von Panamarenko, in: Rheinische Post, 16.8.1969
CJ [Claudia Junkers], Surreales Flugzeug. Panamarenko-Objekt in Mönchengladbach, in: Westdeutsche Zeitung, 16.8.1969
Bericht über zwei Panamarenko-Ausstellungen in Mönchengladbach und Düsseldorf, in: Kulturspiegel Radio Bremen, 19.8.1969
Klaus U. Reinke, Experiment oder Erwartung: Intention eines Romantikers. Notizen zu zwei Panamarenko-Ausstellungen, in: Westfälische Nachrichten Münster, 20.8.1969
Klaus U. Reinke, Fliegt die Flugmaschine? Panamarenko-Ausstellungen in Westdeutschland, 25.8.1969, in: Süddeutsche Zeitung, 25.8.1969
Klaus U. Reinke, Die Melancholie der Träume. Zwei Panamarenko-Ausstellungen in Mönchengladbach und Düsseldorf, in: Westdeutsche Zeitung, 25.8.1969
Yvonne Friedrichs, Die Träume eines Ikarus. Panamarenkos „Flugzeug“ in Mönchengladbach, in: Rheinische Post, 10.9.1969