DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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57 B

Mel Bochner, Sol Lewitt, Robert Mangold, Brice Marden, Agnes Martin, Edda Renouf, Dorothea Rockburne. Graphiken aus der Edition der Parasol Press New York

BRACO DIMITRIJEVIĆ, Museum Mönchengladbach 1975, Raum III: "Erich Hoefer", 1975, Foto: Ruth Kaiser, Archiv Museum Abteiberg, © Braco Dimitrijević Parallel BRACO DIMITRIJEVIĆ
Mel Bochner, Sol Lewitt, Robert Mangold, Brice Marden, Agnes Martin, Edda Renouf, Dorothea Rockburne. Graphiken aus der Edition der Parasol Press New York Graphiken aus der Edition der Parasol Press New York, Museum Mönchengladbach 1975, Foto: Ruth Kaiser, Archiv Museum Abteiberg
Grundriss Obergeschoss neu
Einladungskarte Graphiken aus der Edition der Paraso Press NY, 1975

Mel Bochner, Sol Lewitt, Robert Mangold, Brice Marden, Agnes Martin, Edda Renouf, Dorothea Rockburne. Graphiken aus der Edition der Parasol Press New York, 14.3. – 20.4.1975

Treppenhaus und 1OG

Johannes Cladders / Clara Weyergraf: Text der Ausstellungsbroschüre 

Der überwiegende Teil der Künstler, die hier mit graphischen Arbeiten vorgestellt werden, gehört der Tendenz des New Painting“ an: Brice Marden, Edda Renouf, Robert Mangold, Agnes Martin, Dorothea Rockburne.

So Lewitt und Mel Bochner, ebenfalls in dieser Ausstellung mit graphischen Arbeiten vorgestellt, gehören in den Rahmen der Concept Art“. Im New Painting erfolgt eine Thematisierung des Mediums auf eine sehr direkte, grundlegende Art. Malerei erscheint jeder – selbst abstrakt kompositorischer – Funktion entkleidet in der denkbar ursprünglichsten Form. Wenn eine Malerei, die die Grundlagen der Malerei selbst zu ihrem Gegenstand macht, in Graphik übersetzt, so ist es kaum erstaunlich, daß vorzugsweise die graphischen Techniken gewählt werden, mit denen malerische“ Effekte erzielt werden können: Aquatinta und Radierung. Allein Agnes Martin wählt das Siebdruckverfahren für ihre graphischen Arbeiten. 

Um die oben skizzierten Absichten einer Gruppe von Malern des New Painting“ zu verdeutlichen, beispielhaft einige Anmerkungen zu Brice Marden, seiner Malereiproblematik und deren Umsetzung in Graphik. Brice Marden sagt zu seiner Malerei: Ich mache Bilder, die aus ein, zwei oder drei Tafeln bestehen. Ich arbeite von Tafel zu Tafel. Ich male an einer Tafel, bis ich eine Farbe erziele, die die Fläche hält. Ich fahre auf einer anderen Tafel fort, bis auf dieser ebenfalls Flüchtigkeit erzielt ist, wobei die eine mit der anderen Tafel interessanterweise in Beziehung steht. Ich bearbeite die dritte Tafel und suche hierbei nach einem Farbwert, die die Einzelflächen zu einer Gesamtfläche zusammenbindet, die in ihrer Gesamtheit ästhetische Bedeutung hat.“ Das, was Brice Marden in seinen Bildern mit Farbwerten erreicht, erreicht er in seiner Graphik mit Hell-Dunkelwerten. Wären seine Blätter lediglich mechanisch nach den Gesetzen der Spiegelsymmetrie aufgeteilt und eingefärbt, würden sie nicht als ästhetische Einheit“ erfahren. Die akompositorisch aneinandergereihten, meist gleich großen Flächenkompartimente werden zu einer ästhetischen Einheit zusammengebunden durch die besondere graphische Behandlung. So wird eine vereinheitlichende Wirkung in den fast“ weißen Blättern von Brice Marden durch eine sich im Aquatintaverfahren herstellende, kaum wahrnehmende Grauwertigkeit erreicht, die nicht völlig gleichmäßig, sondern in verschwimmenden Zonen das Blatt eintönt. Die künstlerische Problematik der Arbeiten Brice Mardens, gleich ob Malerei oder Graphik, liegt darin, der zweidimensionalen Bildfläche als einer Grundbedingung, mit der jedes malerische beziehungsweise graphische Werk operiert, anschauliche Konkretheit zu verleihen. Bei Brice Marden ist die zweidimensionale Fläche weder Darstellungshintergrund noch Ebene für abstrakte Kompositionen, sondern sie wird vermittelt als ein ästhetisch selbstwertiges Faktum. 

Brice Mardens vergleichbare konkrete, rein formbezogene Absichten unterliegen der Graphik (und primär der Malerei) auch Dorothea Rockburnes, Edda Renoufs und Robert Mangolds. Auszunehmen aus diesem Problemkreis innerhalb des New Painting“ ist jedoch Agnes Martin. Sie ist nicht an der Thematisierung spezifischer formaler Grundqualitäten von Malerei sondern an einem eher wirkungsästhetischen Sachverhalt interessiert. Die dreißig Siebdrucke On a Clear Day“ sind als Mappenwerk von ihr konzipiert. Die auf jedem Blatt leicht variierten Linienkonstellationen sind sukzessiv, in der Abfolge zu betrachten. Zwischen den einzelnen Linienvarianten besteht ein Zusammenhang, ohne daß dieser jedoch so schlüssig wäre, daß er als Prinzip erkannt werden könnte. Er legt lediglich ein Weiterblättern“ nahe. Bei der sukzessiven Betrachtung der Blätter , die als einzelne gewollt keine komplexeren, reflexionsauslösenden ästhetischen Probleme anbieten, die vielmehr formal eineindeutig“ sind, entsteht eine sehr spezifische Situation der Ruhe, die beim Betrachter eine Art Introversionsprozeß auslösen kann, eine Art von kontemplativem Bewußtseinszustand, das heißt, das einzelne Blatt, korrekter die Abfolge der Blätter können eine Wirkung erzeugen, die das ästhetische Phänomen selbst überschreitet, die nicht in ihm enthalten sondern lediglich durch es ausgelöst wird. 

Den Graphikserien Sol Lewitts ist häufig ein verbaler Kommentar beigegeben, der in präzisen Sätzen das in der Serie verwirklichte Konzept enthält. Anders ausgedrückt, das, was sich formal auf den graphischen Blättern niederschlägt, ist vollinhaltlich mit Worten zu erfassen. Das Konzept, das der Künstler rein verbal erstellt, ausdenkt, bedarf nicht notwendig der Ausführung durch ihn selbst (siehe Wall Drawings). Obwohl bei seinen Graphiken faktisch nicht der Fall, wäre es durchaus vorstellbar, daß es dem Drucker überlassen bliebe, das jeweils vorformulierte Konzept zu realisieren. 

Für den Betrachter der Graphikserien von Sol Lewitt sollte weniger das einzelne ästhetische Phänomen als vielmehr das der gesamten Serie zugrunde liegende Konzept Gegenstand der Wahrnehmung werden. Wobei bei aller Konzeptualität der Kunst von Sol Lewitt nicht davon abzusehen ist, daß seine Konzepte formale Sachverhalte beinhalten. 

Sie wurden nicht zufällig in diese Ausstellung, die, wie bemerkt, hauptsächlich Arbeiten von Künstlern enthält, die der Tendenz des New Painting“ angehören, Konzept-Artisten wie Sol Lewitt miteinbezogen. New Painting“ und Concept Art“ sind einander nicht so fremd, wie man zunächst annehmen möchte. Man hat der Concept Art – zum Teil mit einem gewissen mokanten Unterton – idealistische Schwärmerei und einen Hang zur Romantik nachgesagt. Diese Einschätzung ist nicht völlig abzuweisen. Denn in der Tat, das Malerische“, das sich in ihrem Bereich ansiedelte – und daß wir eben als New Painting“ bezeichnen –, deutet in die gleiche Richtung, anders ausgedrückt: Die conceptuellen Künste griffen viel stärker auf traditionelle, konventionelle Normen zurück als ihr vom Materialen weitgehend befreites Erscheinungsbild vemuten ließ. Das New Painting“ hat in der Folge der Concept Art auf das tragende Gerüst, das Gerippe, nur das mögliche – und normalerweise auch dazugehörige – Fleisch“ wieder gelegt, nämlich die Malerei im überkommenen Sinne des Malerischen“.

Die Neue Malerei“ ist also im Zusammenhang mit einer Kunstbemühung zu sehen, die es mit Konzepten, mit Programmabwicklungen zu tun hat. Das Unikat Gemälde“ ist von seiner ganzen Anlage und Tradition her nur fähig, einen in sich selbst völlig funktionierenden und genügsamen Kosmos zu präsentieren. Das New Painting“ will sich nicht etwa darum drücken sondern stimmt dem ausdrücklich zu. Jedes Gemälde des New Painting“ ist in der Lage, isoliert für sich zu bestehen. Trotzdem bleibt es immer Bestandteil eines Programms, eines Konzepts.

Fragen wir also nach Notwendigkeit und damit Berechtigung graphischer Äußerungen solcher Malerei und Maler, dann wäre eine bejahende Antwort unter anderem dort zu finden, wo die conceptuelle Herkunft dieser Malerei angesprochen ist. Ein Gemälde des New Painting“ stellt nicht nur einen in sich geschlossenen selbstständigen Kosmos dar, es ist zugleich auch Detail eines von vornherein konzipierten Gesamtentwurfs, in dem es nur die Rolle eines der vielen anderen und auf die anderen angewiesenen und mit ihnen in Beziehung stehenden Details spielt. Die Vermittlung gerade dieses Tatbestands ist im Unikat Gemälde“ nicht zu erreichen. Dazu bedarf es eines Mediums, das die gesamte Bandbreite wiederzugeben in der Lage ist. 

Graphik ist ein handhabbares Medium, vom Format, vom Gewicht und der Aufbewahrungsweise her. Sie erlaubt die Zusammenführung zur Serie, zum Überblick über den Stellenwert eines jeden Details. Für das New Painting“ kann Graphik gerade den Punkt besetzen, den seine conceptuelle Herkunft erfordert und der im Unikat Gemälde“ nicht ohne Umwege über den Oeuvrekatalog lieferbar wäre. Graphik bedeutet hier Herleitung, Einordnung, ja – in gewissem Sinne – Oeuvreverzeichnis. Und insoweit bestätigt sie auf sehr spezifische Art ihre Notwendigkeit – das heißt Berechtigung – innerhalb eines Bemühens, das zwischen Vollgültigkeit des Einzelstücks – sprich Unikat“ – und seinem Stellenwert im Konzept der Serie pendelt.

Verzeichnis der ausgestellten Werke

Siehe Scans Archiv Dokumente & Korrespondenz

Einladungskarte / Plakat / Druckerzeugnisse

Archiv Fotografien

Archiv Dokumente / Korrespondenz

Archiv Presse

Kurzankündigungen / Meldungen

o. V., Neue Museumsausstellung, in: Rheinische Post, 14.3.1975 (+ Braco Dimitrijevic)
o. V., Museum Samstag und Ostermontag geöffnet, in: Rheinische Post, 29.3.1975 (+ Braco Dimitrijevic)
o. V., Ausstellung Braco Dimitrijević, in: Westdeutsche Post, 13.5.1975 (+ Grafiken)