DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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John Cage, Ausstellung und Konzert

John Cage, Ausstellung und Konzert John Cage, Ausstellung und Konzert, Museum Mönchengladbach 1978, Gartensaal (II), Heinz-Klaus Metzger, Foto: Eckard Goldberg, Archiv Museum Abteiberg
Grundriss Erdgeschoss Obergeschoss 2 neu
Einladungskarte John Cage, Ausstellung und Konzert, 1978

John Cage, Ausstellung und Konzert, 23.4. – 25.4.1978
John Cage (1912 Los Angeles/​USA – 1992 New York/​USA)

EG/​Hochparterre und 1OG

Rekonstruktion und Text: Susanne Rennert 

Eine John-Cage-Ausstellungs- und Konzerttournee findet vom 5. April bis 13. Mai durch die Städte Köln, Dortmund, Bochum, Mönchengladbach und Essen statt. Veranstalter sind verschiedene Institute, die vom Institut für gemeinsame Kulturarbeit‘ in Wuppertal unterstützt werden. Cage hat für das Konzertprogramm – mit sieben seiner Stücke – eigens die Variations VIII‘, 1978, komponiert.“1

Die Tournee mit musikalischen und visuellen Werken des US-amerikanischen Komponisten John Cage fand im April 1978 statt. Sie begann im Kölnischen Kunstverein (5 – 7. April) und ging über Stationen in Dortmund (Museum am Ostwall), Frankfurt/​M. (Städelsches Kunstinstitut) und Bochum (Museum Bochum) nach Mönchengladbach (23. – 25. April2. Wulf Herzogenrath, der Direktor des Kölnischen Kunstvereins übernahm die Koordination der gesamten Tournee, die vom Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit“ in Wuppertal (Leitung: Dr. Karl Richter) finanziell unterstützt wurde. 

Die Initiatoren des Projekts Ausstellungen und Konzerte als praktische Demonstration des sicht- und hörbaren Werkes von John Cage“3 waren Heinz-Klaus Metzger (1929 – 2009) – einer der bedeutendsten Musiktheoretiker des 20. Jahrhunderts und enger Freund John Cages – und der Komponist und Dirigent Rainer Riehn (1941 – 2015). Ein international bestens vernetztes und höchst intellektuelles Duo: Metzger und Riehn hatten 1969 das Ensemble Musica Negativa gegründet und gaben seit 1977 die Reihe Musik-Konzepte“ im Verlag edition text + kritik heraus (bis 2003). Beide Aspekte, Theorie wie Praxis, standen auch im Rahmen der Cage-Konzerttournee 1978 im Zentrum: Zum einen waren die Musiker:innen der Musica Negativa die Akteur:innen der Konzerte, in denen u.a. einige der Exponate in Aufführungen“4 umgesetzt wurden. Zum anderen fungierte das von Metzger/​Riehn im April 1978 bei text + kritik veröffentlichte Buch John Cage als Ausstellungskatalog und theoretisches Fundament des Tournee-Projekts. Jede der teilnehmenden Institutionen verpflichtete sich im Vorfeld der Planungen 100 Exemplare der Publikation, die Theorie, Kritik, Information, Illustration“5 aus erster Hand bot, zu übernehmen. 

Die gesamte Vereinbarung lautete wie folgt:

Jeder Ort stellt DM 3.500,– zur Verfügung und erhält vom Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit, Wuppertal, DM 5.000,– Zuschuß.

Dafür erhält jeder Teilnehmer:

100 Bücher Kataloge (Endverkaufspreis DM 18, – ) 300 Plakate (Din A1, dreifarbig, mit Partitur der Variations VIII‘ Uraufführung in der Tournee, Verkaufspreis DM 5, – )

2.500 Postkarten mit der Einladung für alle Veranstaltungen im Format Din A6 lang

eine Aufführung des Konzertes mit allen Nebenkosten (Länge 90 Min + Pause) 2 Klaviere sind zu beschaffen!

die Ausstellung, gerahmt, mit allen Nebenkosten (außer dem eigenen Auf- und Abbau)

Ringversicherung und Transport

Jeder Teilnehmer zahlt folgendes:

DM 3.500,– Honorar für die Gruppe Riehn/​Metzger am Konzertabend 

DM 3.500,– Übernahmekosten an den Kölnischen Kunstverein, Köln

DM 1.000,– an den Verleger des Katalog-Buches (jeder Teilnehmer erhält einen eigenen Vertrag)

Eintritt einheitlich:

DM 6,–

DM 3,– (für Schüler, Studenten, Rentner etc.)6


Konzert

Auf dem Programm standen folgende Stücke: 

Variations VIII, 1978 – für eine beliebige Anzahl von Spielern, URAUFFÜHRUNG

Music Walk, 1958 – für eine beliebige Anzahl von Pianisten

Crede in us, 1942 – für Klavier, 2 Schlagzeuger, Phonograph und Radio 

Living Room Music, 1940 – für Sprech- und Schlagquartett 

Music for Marcel Duchamp, 1947 – für präpariertes Klavier

Water Music, 1952 – für 1 Pianisten

Fontana Mix, 1958 – kombiniert mit einer oder mehreren Stimmen des Concert for Piano and Orchestra sowie einer Auswahl aus den Song Books“7

Presse

Das Presseecho auf die Mönchengladbacher Veranstaltung war einhellig positiv. Die Rheinische Post berichtete am 26. April unter dem Titel Der Zufall in der Musik. Konzert und Ausstellung John Cage im Städtischen Museum“:

Die Nähe des Vaters der avantgardistischen Musik, des Amerikaners John Cage, zur bildenden Kunst dokumentierten Ausstellung und Konzert John Cage‘ im Städtischen Museum Bismarckstraße. Längst nimmt das Publikum das Schaffen gelassen hin. Pfeifkonzerte als Antwort auf die Musik‘ des Avantgardisten-Führers sind vorbei. Was über Hörfunk und Schallplatte den interessierten Musikfreunden schon bekannt ist, kam nun erstmals live nach Mönchengladbach. 

Das Ensemble Musica negativa‘ setzte unter der Leitung von Rainer Riehn das in Musik um, was in der Ausstellung zu sehen war: Partituren der Cage-Musik aus verschiedenen Jahrzehnten im Original und als Faksimile. Ausnotierte Kompositionen sind selten, oft geben nur Linien, Punkte oder schematische Figuren, durch Spielanweisungen erläutert, die kompositorische Vorstellung Cages an, der dem Zufall eine wichtige Rolle bei der Präsentation seiner Werke überlassen hat.
Nur aus Spielanweisungen besteht Cages brandneue Komposition Variations VIII‘. Zentimeter für Zentimeter sucht ein Künstler mit den Augen die Wand ab, eine Künstlerin wird auf einem Drehstuhl kniend durch den Raum geschoben. Geräusche werden allen Maschinen entlockt, die die Künstler im Konzertgebäude vorfinden. Was mancher Zuhörer vielleicht ausschließlich als Happening empfunden haben mag, hat denn doch auch einen Sinn: das Bewußtmachen von Wahrnehmungsprozessen.
Die Living Room Music‘ für Sprech- und Schlagquartett aus dem Jahre 1940 zeigte, wie früh Cage die vorgefundenen Mittel einsetzte. Cages Music Walk‘ demonstrierte die Einflußmöglichkeiten von Raum und Bewegung auf musikalische Vorgänge. Dieses Stück oder auch die Kompositionen für präpariertes Klavier machten den Zuhörern und ‑schauern deutlich, wie wenig sich John Cage mit den Klangerlebnissen der althergebrachten Instrumente begnügen wollte. Viel Beifall für die Realisation der Musik John Cages.“8

Am selben Tag brachte die Westdeutsche Zeitung den Artikel Ein Hauch von Genuß. John Cage: Vor dreißig Jahren Furore gemacht“, der wie folgt begann: 

Der große alte Mann‘ der Avantgarde – John Cage (geboren 1912) – kam endlich nach Mönchengladbach! Es war ein echter Nachholbedarf, daß man in Mönchengladbach John Cages Musikkonzepte kennenlernen konnte. Das Ensemble Musica Negativa‘ (Leitung: Rainer Riehn) brachte ein neues Opus (Variations VIII) und eine Reihe der Schlüsselwerke Cage’schen Schaffens. 

Es sind alles Werke, die vor 20 bis 30 Jahren Furore machten und alle Jünger der Avantgarde der Avantgarde vor Ehrfurcht und heiligem Staunen erzittern ließen, aber bei dem Spießerpublikum den Schrei nach wahrer Kunst‘, nach Verdammung dieser Anti-musik‘ herausforderten.“9

John Cage in Deutschland 19581978

Vor dem Hintergrund, dass es der Kölnische Kunstverein war, der die erste Station der John-Cage-Tournee im Jahr 1978 präsentierte, ist folgender historischer Rekurs interessant: Genau 20 Jahre vorher hatte der Westdeutsche Rundfunk in Köln die europäische Erstaufführung von Cages aufsehenerregendem Concert for Piano and Orchestra präsentiert. Das Konzert wurde im September 1958 im Rahmen der progressiven Konzertreihe Musik der Zeit“ aufgeführt. Ein Ereignis, das seinerzeit selbst bei den aufführenden Musikern des Kölner Rundfunkorchesters auf weitgehendes Unverständnis stieß. Es fand in Anwesenheit zahlreicher Persönlichkeiten statt, die die Musikgeschichte und ‑kritik des 20. Jarhunderts geprägt haben. Darunter Theodor W. Adorno, Wolfgang Steinecke – Leiter der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik –, Karlheinz Stockhausen, Heinz-Klaus Metzger, Hans G Helms, Gottfried Michael Koenig und (aller Wahrscheinlichkeit nach) der junge Nam June Paik, der damals am weltbekannten Studio für Elektronische Musik des WDR experimentierte.

Kurze Zeit vorher hatte Cage bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik“ –seinerzeit internationaler Nukleus der Neuen Musik – seine legendären Vorträge über Composition as Process“ [Komposition als Prozess] gehalten. Cages Vorlesungen bedeuteten für viele Teilnehmer, so auch für Paik, eine radikale Neudefinition von Musik. Eine – so Heinz-Klaus Metzger, der damals mit Hans G Helms und Wolf Rosenberg als Übersetzer fungierte – Epochenzäsur: „‚The deduction might be made that there is a tendency in my composition means away from ideas of order towards no ideas of order‘ – diese Ableitung‘ implizierte die Explosion von Organisation, Beziehung zwischen Elementen, Zusammenhang, Sinn‘ des abendländischen Kunstwerks in jeglichem überlieferten Verstand seines Begriffs […].“10

Quellenangaben / Anmerkungen

Verzeichnis der ausgestellten Werke

Es existiert kein Verzeichnis der ausgestellten Werke.

Einladungskarte / Plakat / Druckerzeugnisse

Archiv Fotografien

Archiv Dokumente / Korrespondenz

Archiv Presse

Presse
o. V., o. T. (Eine John-Cage-Ausstellungs-...), in: Rheinische Post, 7.4.1978
o. V., Konzert und Ausstellung Museum Bismarckstraße, in: Rheinische Post, 21.4.1978

Berichte / Rezensionen / Kommentare
Dk. Der Zufall in der Musik. Konzert und Ausstellung John Cage im Städtischen Museum, in: Rheinische Post, 26.4.1978
Wolfgang Hildemann, Ein Hauch von Genuß. John Cage: Vor dreißig Jahren Furore gemacht, in: Westdeutsche Zeitung, 26.4.1978
W. Dulisch, Taktstock wurde gerne durch Stoppuhr ersetzt. John Cage im Museum zu Gast, in: Stadtpanorama, 5.5.1978