DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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Expressionisten Expressionisten, Museum Mönchengladbach 1971, Gartensaal (II): Heinrich Nauen, Gartenbild (1913), Foto: Ruth Kaiser, Archiv Museum Abteiberg
Grundriss Erdgeschoss bearbeitet

Expressionisten, 21.11.1971 – 2.1.1972

EG/​Hochparterre

Gleichzeitig im 1. OG: Konkret. Eine Ausstellung zum Thema Gegenstand (in) der Kunst

Rekonstruktion und Text: Susanne Rennert 

Die berühmte Sammlung expressionistischer Kunst, die der Kunsthistoriker Dr. Walter Kaesbach (1879 – 1961) in den 1920er Jahren seiner Heimatstadt Mönchengladbach zum Geschenk machte, legte den Grundstein der Moderne im Städtischen Museum. Die Stiftung, die (finaler Stand: 1928) 76 Gemälde, Zeichungen und Grafiken von Campendonk, Feininger, Heckel, Kirchner, Lehmbruck, Macke, Müller, Nauen, Pechstein und Rohlfs u.a. umfasste, machte Mönchengladbach früh zu einem bedeutenden Ort für Gegenwartskunst.1

Walter Kaesbach war ein zurückhaltender Intellektueller. Als Sammler und Institutioneller ein entschiedener Modernisierer und herausragender Netzwerker, vor allem auch ein enger Verbündeter zahlreicher Künstler. Nach der Promotion bei Georg Dehio in Straßburg war Kaesbach, zu dessen ersten Künstlerfreunden Heinrich Nauen, Christian Rohlfs und Erich Heckel zählten, 1906 in den Museumsdienst in Berlin eingetreten. Er wurde ausgebildet bei zwei der wichtigsten Museumsleute seiner Zeit. Nach einem Volontariat, das er u.a. bei Hugo von Tschudi absolvierte, wurde er 1909 Assistent von Ludwig Justi an der Berliner Nationalgalerie, wo er am Aufbau der bedeutendsten Sammlung moderner Kunst in Deutschland mitgewirkt hatte. Dazu engagierte er sich im Berliner Arbeitsrat für Kunst, wo er mit Walter Gropius, Erich Heckel, César Klein, Emil Nolde, Christian Rohlfs oder Karl Schmidt-Rottluff zusammentraf.“2 1920 ging er als Direktor an das Museum in Erfurt. Kaesbachs weitverzweigte Kontakte kamen in Erfurt zum Tragen und machten es zu einem Brennpunkt moderner Kunst. Die Unterstützung durch den jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess ließ eine außergewöhnliche Sammlung zeitgenössischer Kunst wachsen.“3 1924 erhielt Walter Kaesbach den Ruf als Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, als erster Nicht-Künstler in diesem Amt. Hier gelang es ihm u.a. durch eine außergewöhlich progressive Berufungspolitik – z.B. Heinrich Campendonk (1929), Paul Klee (1931) und Ewald Mataré (1932) – die ehrwürdige Institution grundlegend zu erneuern. Die Düsseldorfer Kunsthistorikerin Anna Klapheck hielt 1961 fest: In den neun Jahren, die Kaesbach in Düsseldorf zu wirken vergönnt war, hat er die Akademie zu einem weit ausstrahlenden Sammelpunkt starker künstlerischer Kräfte gemacht, wesentlich ihm ist es zu danken, daß vom frohen Schwung der goldenden zwanziger Jahre‘ auch in Düsseldorf etwas zu spüren war.“4 Und Hans Schwippert, der von 1956 bis 1966 als Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie amtierte, schrieb: Eine Epoche großer Bedeutung und Wirksamkeit unseres Hauses ist unlöslich mit ihm verbunden.“5

Die fortschrittlichen Entwicklungen und Erneuerungen, die Kaesbach seit 1924 initiiert hatte, wurden ab 1933 von den Nazis radikal unterbunden bzw. zerstört. Sowohl in Düsseldorf wie im 30 km entfernten Mönchengladbach. In Düsseldorf war Kaesbach bereits im März 1933 als einer der ersten“6 fristlos entlassen worden und wurde bald darauf zwangspensioniert. Es wurde ihm untersagt, die Akademie jemals wieder zu betreten.“7In Mönchengladbach wurde seine herausragende Sammlung expressionistischer Kunst nach und nach ins Depot des – seinerzeit als Museum fungierenden – Karl-Brandts-Hauses verbannt und später von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Die Sammlung Kaesbach wurde 1937 im Rahmen der NS-Aktion Entartete Kunst“ fast vollständig zerschlagen; ein Großteil gilt seither als verschollen“.8 Kaesbach überstand die Zeit des Nationalsozialismus in Hemmenhofen am Bodensee nahe der Schweizer Grenze; dort lebte er bis zu seinem Tod im Jahr 1961. Auch wenn er nie mehr ins Rheinland zurückkehrte, blieb er dem Museum und dem dortigen, von 1945 bis 1966 amtierenden Leiter Heinrich Dattenberg eng verbunden. Kaesbach erinnerte: Nach dem Krieg hatte der neue Museumsdirektor Heinrich Dattenberg, den Wunsch, alles, was die Stadt Mönchengladbach durch die Beschlagnahme verloren hatte, zurückzukaufen, oder zu versuchen, daß Bilder erneut gestiftet würden. Auf diesem Weg hat er bereits gute Erfolge erzielt. Aus Anlaß meines 75. Geburtstags schenkte ich 1954 der Stadt Mönchengladbach meine gesamte Sammlung von Aquarellen und Zeichnungen Heinrich Nauens. So gibt es wieder eine Walter-Kaesbach-Stiftung.“9

Für das Narrativ zur Ära Johannes Cladders in Mönchengladbach“ ist der Exkurs in die expressionistische Vorgeschichte des Museums deshalb von Bedeutung, weil er vergegenwärtigt, dass Cladders keineswegs an eine unbedeutende Institution in der niederrheinischen Provinz kam, als er 1967 das Direktorenamt von seinem Vorgänger Dattenberg übernahm. Sondern an ein Haus, das in der kurzen Zeitspanne von 1922 bis 1933 internationale Kunstgeschichte geschrieben hatte. Ein Haus für Gegenwart, dessen berühmte Basis aus der engen Beziehung zu Künstlern heraus entstanden war.10

In seiner Ausstellungspraxis der Jahre 1967 bis 1978 bezog sich Cladders – dessen Maxime gleichfalls lautete, den Künstlern zu folgen‘11 – immer wieder auf die außergewöhnliche kunsthistorische Basis des Museums. In den Jahren seines Wirkens an der Bismarckstraße (1967 – 1978) richtete er zahlreiche Ausstellungen aus, in die expressionistische Gemälde und Papierarbeiten eingebunden waren. 1968: Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik des deutschen Expressionismus aus dem Besitz des Museums in der Stadtbibliothek – im Rahmen der Ausstellung Beleg, Kunstwerke der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Bestand der Stadt Mönchengladbach. 1969: Mit Kuhhorn und Pinsel. Bäuerliche Irdenware und Malerei des Expressionismus aus den Beständen des Museums. 1973: Sieben Räume – Sieben Gruppen. Malerei des 19. Jahrhunderts, Max Roeder, Malerei des Expressionismus, Malerei des Tachismus, François Morellet, Zero, Nouveau Réalisme. Aus eigenen Beständen. 1975: Auswahl aus den Beständen des Museums und der Sammlung Etzold sowie Druckgraphik des Expressionismus und der Pop Art. Eine Gegenüberstellung von zwei gegenstandsorientierten Kunsttendenzen. Ausgewählt aus den Beständen des Museums und der Sammlung Etzold. 1976: Heinrich Nauen aus eigenem Besitz. Ausgestellt in der Industrie- und Handelskammer Mönchengladbach. 1977: Auswahl aus den Sammlungsbeständen zum Expressionismus. 

Die Ausstellung Expressionisten, die von November 1971 bis Februar 1972 parallel zur Ausstellung KONKRET. Eine Ausstellung zum Thema Gegenstand in der Kunst im Erdgeschoss des Museums stattfand, fügte sich in diese Kontinuität ein. 

Beide Ausstellungen sind aus dem Kunstbesitz des Museums und der Sammlung Etzold zusammengetragen. Sie belegen – wenn auch nur im kleinen Ausschnitt – Reichtum und Vielfalt der eigenen Kollektionen, aus denen sich immer wieder neue Ausstellungsthemen darstellen lassen. In diesem Fall das Thema Gegenstand (in) der Kunst“, das unter den Kurztitel Konkret“ gestellt wurde. Was man darunter in der Fachsprache versteht, soll in Führung und Gespräch behandelt werden. Die Schau der expressionistischen Malerei ist eine von diesem Thema zwar unabhängige Darbietung, eignet sich aber gerade durch ihre Andersartigkeit zur Verdeutlichung des Problemkreises konkreter Kunst.“12 (Karl Heinemann, Vorsitzender des Museumsvereins Mönchengladbach, 1971

Siehe auch das Kapitel 65 Heinrich Nauen aus eigenem Besitz. Ausgestellt in der Industrie- und Handelskammer Mönchengladbach, 18.2. – 21.3.1976 in diesem Projekt. 

Johannes Cladders, Schreiben an Schulleitungen, November 1971, Archiv Museum Abteiberg
Johannes Cladders, Schreiben an Schulleitungen, November 1971, Archiv Museum Abteiberg
Johannes Cladders, Schreiben an Schulleitungen, November 1971, Archiv Museum Abteiberg

Quellenangaben / Anmerkungen

Archiv Fotografien

Archiv Dokumente / Korrespondenz

Archiv Presse

Kurzankündigungen / Meldungen

o. V., Neue Museumsausstellung, in: Rheinische Post, 20.11.1971 (beide Ausst.)
o. V., Ausstellung eröffnet, in: Erkrather? Volkszeitung, 23.11.1971 (beide Ausst.)
o. V., Museums-Besuchszeit, in: Westdeutsche Zeitung, 21.12.1971 (beide Ausst.)
o. V., Gladbacher Museum geschlossen, in: Rheinische Post, 24.12.1971 (beide Ausst.)

Berichte / Rezensionen / Kommentare

Wolfgang Stauch von Quitzow, Ausstellung Konkret, in: Westdeutsche Zeitung, 20.11.1971 (beide Ausst.)
Wolfgang Stauch von Quitzow, Kunst, die sich selbst darstellt, in: Westdeutsche Zeitung, 25.11.1971 (beide Ausst.)
Richard E. Tristram, Wiedersehen mit Gladbachs Expressionisten. Meister der „Brücke“ und des „Blauen Reiters“ auf eigenem Museumsbesitz, in: Rheinische Post, 11.12.1971