DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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DARBOVEN.
Ausstellung mit 6 Filmprojektoren
nach 6 Büchern über 1968

DARBOVEN. Ausstellung mit 6 Filmprojektoren nach 6 Büchern über 1968 DARBOVEN, Museum Mönchengladbach 1969, Gartensaal (Raum II), Hanne Darboven, Foto: Albert Weber, Archiv Museum Abteiberg, © Hanne Darboven Stiftung
Grundriss Erdgeschoss Obergeschoss 2 neu
Einladungskarte DARBOVEN, 1969

DARBOVEN. Ausstellung mit 6 Filmprojektoren nach 6 Büchern über 1968
25.2. – 7.4.1969
Hanne Darboven (1941 München – 2009 Hamburg Rönneburg)

Erste Einzelausstellung in einem Museum

Die Ausstellung fand in allen seinerzeit zur Verfügung stehenden Ausstellungsräumen statt.
EG/ Hochparterre: Raum III und Gartensaal (II), 1. OG: alle Räume (VI, VII, VIII und IX

Rekonstruktion und Text: Susanne Rennert

Gezeigt werden tabellenartig angelegte, an den Daten der Tage und Monate des Jahres 1968 entwickelte Aufzeichnungen, die von Hanne Darboven in sechs Büchern zu je 366 Seiten thematisch geordnet wurden. Um die Fülle der Aufzeichnungen, die zu einer strengen Folge gehören, ausstellungsmäßig darbieten zu können, hat die in New York lebende Künstlerin sie Blatt für Blatt auf Filmband aufgenommen. Die nach den Büchern gedrehten sechs Filme laufen gleichzeitig in den Ausstellungsräumen des Museums, so daß der Besucher beim Rundgang sozusagen in den Büchern blättern kann. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Kassettenform.“1 (Cladders, Pressemitteilung)

Hanne Darbovens erste Einzelausstellung in einem Museum wurde kurzfristig und dank der Vermittlung Konrad Fischers vereinbart. Bei Fischer in Düsseldorf präsentierte Darboven, die von 1966 bis 1968 vorwiegend in New York lebte und dort im Umfeld der Minimal Art-Künstler vor allem mit Sol LeWitt und Carl Andre eng befreundet war, im Dezember 1967 ihre erste Galerieausstellung Konstruktionen.2 Diese kam wiederum kurzfristig durch Empfehlung Kasper Königs zustande, der damals als Art Scout“ von New York aus für die Galerie aktiv war und Darboven im November 1967 bei LeWitt kennengelernt hatte.3 Ein Jahr später, am 12. Dezember 1968, schrieb Cladders an Fischer: „[…] am 15.d.M. endet die Andre-Ausstellung. Ich werde die schweren Platten nach und nach in den nächsten Tagen abbauen lassen. Wie mir bei ihrem Besuch in Krefeld Hanne Darboven sagte, wird sie um Weihnachten herum wieder in Deutschland sein. Gern würde ich sie in dieser Zeit sprechen. Eine Ausstellung könnte bereits Mitte Februar n.J. stattfinden. Allerdings müßte ich dann bald definitiv darüber entscheiden. Geben Sie mir bitte ihre Anschrift oder teilen Sie ihr mit, daß sie wegen der Ausstellung mit mir Kontakt aufnimmt.“4

Korrespondenz Hanne Darboven und Johannes Cladders

Konzeption und Realisation

Ihnen, Herr Dr. Kladders [sic], einen Gruß + Material: d.h: 7 Indexe = 7 Filme + Zahlenmaterial als Information“ heißt es in einem Brief Darbovens an Cladders (vermutlich Ende Dezember 1968/ Anfang Januar 1969), dem Ideenskizzen beiliegen.5 Dieses Dokument bereichert die Forschung um überraschende neue Aspekte zum Projekt und seiner Datierung. Es zeigt, dass die Künstlerin zunächst Pläne zur Präsentation von sieben (statt sechs) Filmen entwickelt hatte und erst im Laufe des Januars die endgültige Konzeption ihrer Ausstellung mit 6 Filmprojektoren nach 6 Büchern über 1968 festlegte. Noch am 21. Januar fragte Cladders nach: Wie sieht es mit den Filmen aus? Konrad Fischer sagte mir, daß es 16 mm-Filme werden und daß es auch irgendein automatisches Rücklaufgerät dafür gäbe. Stimmt das? Ich muß mich nämlich sofort darum bemühen. Ihre Ausstellung möchte ich in folgender Form ankündigen: Hanne Darboven. Ausstellung mit 7 Filmprojektoren. Nach 7 Büchern über das Jahr 1968. Ist das recht so? Wegen der Druckerei brauche ich unbedingt ihre schnelle Antwort.“6
Naheliegend ist, dass Darboven ihr ursprüngliches Vorhaben im Hinblick auf die Raumsituation bzw. die sechs Ausstellungsräume änderte, die seinerzeit im Museum zur Verfügung standen.7

Nach dem Abgleich der Quellen lässt sich die Ausstellung, die aufgrund falsch konfektionierter Vorführkopien erst einige Tage nach der Eröffnung voll funktionstüchtig war, wie folgt beschreiben: In jedem der verdunkelten Ausstellungsräume stand auf einem Projektionstisch ein Filmprojektor, der jeweils einen der 6 Filme nach 6 Büchern über 1968 auf die Wand projizierte. Im Gartensaal wurde auf die vorhandene Kinoleinwand projiziert. Der Korrespondent der Westdeutschen Zeitung berichtete: In allen Räumen des Museums surrten die Projektoren und warfen Zahlen, Chiffren und quadratische Signaturen aus. Man hätte links und rechts, vorne und hinten zugleich blicken müssen, mit Hanne Darboven ganz in Zahlen zu leben, konstruktiv, wert- und zweckfrei versteht sich.“8

Der WDR filmt vor der Ausstellungseröffnung, Fotos von Albert Weber

Ebenfalls ausgestellt waren die Vorlagen der Filme.9 Ob es sich hier bei dem präsentierten Material um die tatsächlichen 6 Bücher oder um die Ringordner handelte, die Darbovens – auf kariertes Papier geschriebene – Manuskripte enthielten, lässt sich heute nicht mehr klären.10 Fest steht, dass Johannes Cladders in der kurzen Filmreportage, die der WDR einen Tag vor der Ausstellungseröffnung am 24. Januar 1969 für die Sendung Hierzulande Heutzutage produzierte, einen Ringordner mit Manuskripten in Sichthüllen durchblättert und erklärt: Das ist eines der Bücher, die hier auf Film aufgenommen sind.“11

Fotos der Aftershow Party im Hause Diekamp von Albert Weber

Zur Herstellung der Filme: Im Januar 1969 filmte Claus Böhmler – ehemaliger Student der Klasse von Joseph Beuys – in der Düsseldorfer Kunstakademie Darbovens Ordner mit den Manuskriptblättern Seite für Seite ab.12 An der Montage der Filme war offenbar auch Christof Kohlhöfer beteiligt.13 Die Bearbeitung erfolgte am 11. Januar 1969 in der Akademie.14 Die einzelnen Seiten werden jeweils als Standbild wiedergegeben. Nach 2 Sekunden folgt ein Schwarzbild, wodurch sich ein gleichmäßig pulsierender Rhythmus ergibt. Jeder der ursprünglich wohl rund 15 Minuten langen Filme ist mit einem handgeschriebenen Vorspann versehen: Darboven 68“ – Kamera Claus Böhmler“. 

Die Originalfilme wurden zur Herstellung von Vorführkopien an die Düsseldorfer Firma Hadeko Film gegeben. Kurz vor der Ausstellungseröffnung wurde man in Mönchengladbach mit der Tatsache konfrontiert, dass die angefertigten Kopien unbrauchbar waren. Cladders beschwerte sich: Als Ausweg blieb nur noch, auf die Original-Filme zurückzugreifen. Sie wurden übers Wochenende herbeigeschafft. Da aber auch hier die von Ihrer Firma angebrachten Anfangs- und Endstücke sämtlich falsch montiert waren, konnten die Streifen erst nach sechsstündiger Arbeit unter Verwendung neu erworbenen Vorspannmaterials vorführreif gemacht werden. Die Original-Filme selbst waren einwandfrei. […] Als mögliche Erklärung bleibt mir nur die Annahme, dass Ihre Mitarbeiter die künstlerische Bedeutung und Qualität der Filme nicht beurteilen konnten […] Dem Städtischen Museum Mönchengladbach ist erheblicher materieller und ideeller Schaden entstanden.“15 Am 7. März schreibt Cladders der Künstlerin, dass die neu hergestellten Kopien in Ordnung seien.16

Meine Arbeit ist ein Aufzeichnen im Sinne von Dasein, es ist Durcharbeitung.“ (Darboven)17 Darbovens 6 Filme nach 6 Büchern über 1968 stellen die erste Arbeit dar, mit der die Künstlerin systematisch Geschichte durcharbeitete und erfasste. Ausgehend von den 366 Tagen des Schaltjahres 1968, deren Quersummen sie zusammenrechnete, entwickelte Darboven komplexe, in sogenannten K‑Zeichnungen“ visualisierte Konstruktionssysteme, die sie in Büchern zusammenfasste: Mit sechs Bücher über 1968 schrieb sie ihr erstes größeres Werk mit K‑Zeichnungen in Ziffern, Kästchen und Quadraten. In vorangestellten Indizes ist das jeweilige Prinzip formelhaft bezeichnet. […] HD visualisiert in den sechs Büchern das Jahr 1968 durch verschiedene Darstellungsmodi – und stellt mit ihnen bald den einzelnen Tag, bald den Monat, bald das Jahr ins Zentrum.”.18 Hier fallen Rechnen, Schreiben und Zeichnen in eins, werden zum Tun“ (Darboven).

Film 1

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Film 2

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Film 3

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Film 4

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Film 5

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Film 6

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Die Presserezensionen der Mönchengladbacher Ausstellung veranschaulichen, welche Schwierigkeiten das Verständnis der Systematik von Darbovens Arbeit bereitete, die sich – im Kontext der seriellen Systeme der Minimal Art entwickelt – zwischen Text und Mathematik bewegte. Auch wurde nicht thematisiert, welch hochpolitisches Jahr die Künstlerin hier mit konzeptueller Sachlichkeit erfasste und ins Zentrum setzte. 1968: Studentenrevolte und Mai 68 in Paris, Ermordung Martin Luther Kings, Ende des Prager Frühlings“ mit dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts. Den Unruhen und emotional aufgeladenen Debatten, die in diesem Jahr die Weltpolitik prägten und die Gesellschaft polarisierten, setzte Darboven ihre eigenen kühnen Entwürfe eines Durchmessens zeitlicher Abläufe und historischer Prozesse sozusagen objektivierend entgegen. 

1969 zählte die Verwendung des Mediums Film in einer Kunstausstellung noch zur großen Ausnahme. So hatte man aufgrund fehlenden technischen Equipments im Museum Mönchengladbach mit Hilfe der örtlichen Stadtbildstelle sechs Projektoren der Firma Bauer von sechs Mönchengladbacher Schulen entliehen.19 Auch vor dem Hintergrund, dass erst 1971 mit der Ausstellung Prospect 71 – Projection in der Düsseldorfer Kunsthalle der erste internationale Überblick über zeitbasierte Formate wie Film und Video gegeben wurde, gewinnt Darbovens Ausstellung mit 6 Filmprojektoren nach 6 Büchern über 1968 besondere Relevanz. In der WDR-Reportage fragt die Interviewerin: Film oder Buch: Wie wichtig ist bei diesem zwanghaften Computerspiel das Material? Meint Hanne Darboven, sie habe einen Film gemacht?“ Und lakonisch antwortet die Künstlerin: Ich habe nie einen Film gemacht. Und ich betrachte es als die Sache, die ich getan habe. Dass es ein Film ist, ist es. Und das ist der Film für mich.“20


Filmbeitrag des WDR, 1969

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Ein Set der Filme wurde nach der Ausstellung direkt an den Darmstädter Sammler Karl Ströher verkauft.21 Noch während der Laufzeit der Mönchengladbacher Präsentation eröffnete in Bern die von Harald Szeemann organisierte epochale Ausstellung Live in your head. When Attitudes Become Form (22.3. – 23.4.1969), an der auch Darboven teilnahm. Im Katalog zur Ausstellung, die unter dem Titel Vorstellungen nehmen Form an anschließend in Museum Haus Lange in Krefeld gezeigt wurde (10.5. – 15.6.1969), sind die sechs Indices des Mönchengladbacher Kassettenkatalogs im Faksimile abgedruckt.22

Innerhalb von Claddersʼ Ausstellungsgeschichte an der Bismarckstraße, die (zeithistorisch durchaus typisch) von männlichen Positionen bestimmt war, stellte Hanne Darbovens Ausstellung eine Ausnahme dar. Es handelte sich hier um die einzige [!] Einzelpräsentation einer Künstlerin. Zwischen Museumsdirektor und Künstlerin entwickelte sich im Anschluss eine rege, von lebenslanger Wertschätzung getragene Korrespondenz.23 Als Kommissar des Deutschen Pavillons in Venedig präsentierte Cladders 1982 Hanne Darboven auf der Biennale gemeinsam mit Gotthard Graubner und Wolfgang Laib.

Quellenangaben / Anmerkungen

Johannes Cladders, Text des Kassettenkatalogs

Statistiken, Tabellen, Formeln haben ihre auch jenseits praktischer Auswertbarkeit liegende eigene und einzigartige Faszination. Es sind Zauberformeln, die den, der sie entschlüsseln kann, in den Bann der in ihnen verkapselten Wirklichkeit ziehen, aber zugleich auch den Uneingeweihten durch ihr geheimnisvolles Erscheinungsbild betören. Der eine weiß – meist nur in seinem Spezialfach -, was sie für das Leben des Menschen von heute und morgen bedeuten, der andere ahnt es vielleicht. Gerade er jedoch wird sich möglicherweise vom Zauber mehr eingefangen fühlen als der andere, der über den rationalen Zugang verfügt, der das Geheimnis zu entschleiern, die Formeln zu dechiffrieren vermag.

Doch beide verfallen – bewusst, wenn sie für optische Eindrücke sensibel sind, sonst, ohne es zu merken – dem Reiz des Erscheinungsbildes. Nicht nur Sorgfalt, Logik und Rationalität sind bei denen am Werk, die Statistiken, Tabellen und Formeln aufstellen, sondern sicherlich auch das Bemühen um Anschaulichkeit und sachliche Schönheit. Die aus Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit geborene Ästhetik zieht viele in ihren Bann. Und das immer vor dem Hintergrund verstandener, halbverstandener, nicht- oder sogar missverstandener Realität. Insoweit bleibt sie aber für alle dennoch stets recht verstanden, als es um etwas geht, was das Leben des Menschen von heute wesentlich betrifft; selbst dann, wenn die Formel dem Irrtum unterliegt, pseudowissenschaftlich ist oder wesentlicher Bedeutung entbehrt.

Das anschauliche Bild aus Ziffern, Symbolen und kurzen Wortbegriffen hat aufgrund seiner ins allgemeine Bewusstsein getretenen Zuständigkeit eine Relevanz, die die ihm innewohnende Ästhetik einerseits zwar in die Unauffälligkeit und Untergeordnetheit drängt, andererseits aber auch gerade dadurch ihre ungemein breite Allgemeingültigkeit gewinnt.

Hanne Darboven macht sich diese breite Basis ästhetischer Gültigkeit zunutze. Ihre Arbeiten erscheinen im Gewand statistischer Tabellen, mathematischer Tafeln, formelhafter Aufzeichnungen. Sie nimmt aber auch die solchen Vorwürfen eigene Unauffälligkeit nicht nur in Kauf – ihre Arbeiten entbehren jeden spektakulären Charakters -, sondern strebt sie bewusst an, um auch durch diese Identifikation das Faszinierende mit einzufangen, das die Vorbilder ausstrahlen.

Nur eines vollzieht sie nicht mit: die Anwendbarkeit oder Auswertbarkeit. Ihre Arbeiten sind zwar Niederschlag eines äußerst systematischen Tuns, doch es verfolgt keine ökonomischen, wissenschaftlichen oder sonstwie praktischen Zwecke. Ihre Arbeiten sind zweckfrei – Kunst. Das Statistische, Formelhafte, Tabellarische wird verselbständigt, wird nicht um einer anderen Aussage willen genommen, sondern für sich selbst. Gerade deshalb gelingt es, die ästhetischen und faszinativen Seiten rein herauszukristallisieren und zur Anschauung zu bringen.

Die Häufung von Zahlen, Symbolen oder Begriffen, ihre Reihung, ihre vertikale, horizontale oder diagonale Ablesbarkeit, ihr Aufschwellen und Abschwellen, ihre Rationalität, Systematik, alles das wird in den Arbeiten von Darboven sichtbar. Auch sogenannte Computer-Graphiken vermitteln manchmal etwas davon. Doch Darbovens Arbeiten liegen - um beim Beispiel zu bleiben – vor dem Computer. Sie gehören eher dem Programmierbüro an, dem Bereich der Zubereitung, in dem Material für die Elektronik sozusagen „genießbar“ gemacht wird. Und das zunächst skizzenhaft, im probeweisen, noch manuellen Vorvollzug der Arbeitsweise des Gerätes. Darbovens Aufzeichnungen haben z.B. nicht mit dem Dualsystem oder irgendeiner anderen Rechnungsart zu tun, womit gebräuchliche Rechnungsformen sich für ein Gerät zubereiten lassen. Aber sie simulieren solche Vorgänge des Auflösens, Zerlegens, Addierens und Subtrahierens.

Das geschieht zwar weitab von solchen Rechnungsarten, doch analog der darin wirkenden Systematik. Die Ausstellung im Städtischen Museum Mönchengladbach hat das Jahr 1968 zum Thema. Die Ziffern 1 und 9 werden zwar bei den „Berechnungen“ unterschlagen, doch der Umstand des Schaltjahres mit seinen 366 Tagen spielt eine Rolle, weil alle graphischen Darstellungen und rechnerischen Vollzüge darauf zubereitet werden. Sechs Ausarbeitungen mit je 366 rechnerisch ermittelten Darstellungen zu diesem Thema zeigt die Ausstellung, niedergelegt in sechs Skizzenbüchern und vorgeführt mit Hilfe von sechs Filmen. Skizzenbücher und Filme lassen sich ohne Wissen um die Systematik rein ästhetisch aufnehmen. Sie sind dennoch auch lesbar. Das System bleibt daher eine Hilfe zum Verständnis der An- und Abschwellungen von Gleichartigem, seiner Reihung, Aufeinanderfolge und schließlich absoluten Reduzierung.

Hierzulande – Heutzutage. Almanach der Woche: Ausstellung Hanne Darboven „Filmprojektionen“ in Mönchengladbach. WDR 4.3.1969. 2:05 Minuten, Transkript des gesprochenen Texts

„Mönchengladbach Städtisches Museum, Ausstellung Hanne Darboven. Wenn die Kategorien sich aufgelöst haben, vielleicht gehört dies dann einer Kunst der Zukunft an: Die Vermittlung eines optisch unergiebigen zweckfreien Zahlenspiels auf 2296 Seiten. Museumsleiter Dr. Cladders erklärt das System: ‚Ich kann den Versuch machen Ihnen das zu erklären. Das ganze beruht auf einem Rechensystem, das ausgeht von den 366 Tagen des Schaltjahres 1968. Und zwar werden aus diesem Schaltjahr die Tagesdaten zusammengezogen zu ihren Quersummen. Das heißt also einmal ganz praktisch: der erste im ersten 68 – wenn man jetzt 6 und 8 als einzelne Zahlen nimmt – ergibt eine Quersumme von 16. Diese Quersumme von 16 taucht einmal im Jahr auf. Wenn Sie das zweite Datum nehmen – 2.1.1968 – dann haben sie eine Quersumme von 17. Das taucht aber auch im Februar auf, nämlich am 1.2.1968 haben sie wiederum 17. Das taucht also zweimal auf.

Nach diesem System ist die ganze grafische Gestaltung aufgebaut. Aber die grafischen Darstellungen werden immer knapper, werden immer mehr reduziert. Und so erscheint letztlich das letzte Buch nur noch mit leeren Seiten, was im Film eben der Leerstreifen ist. Das ist eines der Bücher, die hier auf Film aufgenommen sind. Und zwar deswegen auf Film auf Film aufgenommen sind, weil diese Abfolge, die Reihung, die da in den Dingen existiert, einfach nach dem Film verlangen.‘

Film oder Buch. Wie wichtig ist bei diesem zwanghaften Computerspiel das Material? Meint Hanne Darboven, sie habe einen Film gemacht? ‚Ich habe nie einen Film gemacht. Und ich betrachte es als die Sache, die ich getan habe. Dass es ein Film ist, ist es. Und das ist der Film für mich‘ (Darboven).“

KASSETTENKATALOG ZUR AUSSTELLUNG

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KASSETTENKATALOG ZUR AUSSTELLUNG
DARBOVEN. Ausstellung mit 6 Filmprojektoren nach 6 Büchern über 1968, 25.2.–7.4. 1969

Schachtel aus weiß kaschiertem Karton mit vergrößerter Reproduktion von Angaben zur Ausstellung in Darbovens Handschrift, aufgeklebtes Seitenschild, 20,5 × 16,3 × 2 cm 

Inhalt: Ausstellungsheft, 6 Index-Karten, Notizblock

Heft mit Titel, Dank und Impressum, Biografie und Ausstellungsverzeichnis sowie zwei Texten von J. Cladders, 12 S. auf 3 losen gefalzten Kartonbögen, 19,5 × 15 cm
6 Karten mit Reproduktionen von 6 Index-Zeichnungen, 19,5 × 15 cm
Notizblock mit kariertem Papier, Deckblatt aus braunem Packpapier, 19,5 × 15 × 0,5 cm 

Auflage: 440 nummerierte Exemplare

Preis in der Ausstellung: 5 DM

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Verzeichnis der ausgestellten Werke

Hanne Darboven, Sechs Filme nach sechs Büchern über 1968, 1969

6 Filme, 16 mm, Kamera: Claus Böhmler

außerdem vermutlich sechs Ordner mit Manuskripten

Kassettenkatalog

Einladungskarte / Plakat / Druckerzeugnisse

Archiv Fotografien

Archiv Dokumente / Korrespondenz

Archiv Presse

Kurzankündigungen / Meldungen

o. V., Ausstellung Darboven, in: Westdeutsche Zeitung, 20.2.1969
o. V., Neue Ausstellung: Hanne Darboven, in: Rheinische Post, 22.2.1969
o. V., Ausstellung im Fernsehen, in: Westdeutsche Zeitung, 22.2.1969
o. V., H. Darboven stellt aus, in: Westdeutsche Zeitung, 22.2.1969
o. V., o. T., in: Westdeutsche Zeitung, 25.2.1969
o. V., Kunstkritik aus Holland, in: Rheinische Post, 1.3.1969

Berichte / Rezensionen / Kommentare

F. E. [Fritz Eisheuer], Spielchen über sechs Projektoren. Hanne Darbovens zweckfreie Zahlensprache im Museum, in: Westdeutsche Zeitung, 27.2.1969
Majo Müller-in der Au, Flimmerzahlen im Museum. Hanne Darboven arbeitet mit Projektionsapparaten, in: Rheinische Post, 3.3.1969
Hans Strelow, Zeit als Zahl. Ausstellung Hanne Darboven in Mönchengladbach, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.3.1969