DIE AUSSTELLUNGEN
UND KASSETTENKATALOGE
DES STÄDTISCHEN MUSEUMS
MÖNCHENGLADBACH
1967–1978

Digitales Archivprojekt
initiiert von Susanne Rennert und Susanne Titz

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KUNST AM BAU
Dokumentation der Mönchengladbacher Erwerbungen

KUNST AM BAU Stadtarchiv Mönchengladbach (Hg.), Kunst am Bau. Zehn Jahre Erfahrung. Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach, Mönchengladbach 1975
Grundriss Erdgeschoss Obergeschoss 2 neu
Einladungskarte KUNST AM BAU, 1976

KUNST AM BAU
Dokumentation der Mönchengladbacher Erwerbungen, 1.4. – 9.5.1976

EG/​Hochparterre und 1. OG: alle Räume, Garten

Rekonstruktion und Text: Susanne Rennert 

Mit den geringen Prozenten, die für die Kunst am Bau‘ abfallen, hat die Stadt Mönchengladbach gewuchert und zu Zeiten, als die Preise noch normal‘ waren, international anerkannte Künstler herangezogen. Eine Ausstellung im Museum Mönchengladbach gibt einen Überblick über Zehn Jahre Erfahrung mit Kunst am Bau‘. Neben der Kunstkommission bewies Museumsdirektor Dr. Johannes Cladders beim Heranziehen junger Kräfte Geschick und Spürsinn. Außer bei der Calder-Plastik vor dem Stadttheater (etwas über 400 000 Mark) lagen die Preise meistens zwischen 12 000 und 40 000 Mark, und außer einer Gruppe von Jugendstilvasen wurden nur Werke erworben, die einen Überblick über Tendenzen nach dem Zweiten Weltkrieg geben.“1

Unter den zahlreichen bemerkenswerten Vorhaben, die die Ära Cladders prägten, ragt das Pilotprojekt Kunst am Bau noch einmal als ganz eigener Bereich heraus. Es wurde 1965 maßgeblich von dem progressiven Stadtdirektor und Kulturdezernenten Busso Diekamp initiiert, der 1964 sein Amt in Mönchengladbach antrat. Johannes Cladders zählte hier offenbar von Beginn an zur Ankaufskommission, erhielt also bereits Einblick in die kommunalen Strukturen, bevor er zwei Jahre später die Leitung des Museums übernahm.

Die Ausstellung KUNST AM BAU, die 1976 im Museum stattfand, dokumentierte das umfangreiche Projekt, das Mönchengladbacher Stadtgeschichte und internationale Kunstgeschichte eng miteinander verzahnte, ausschnitthaft anhand von rund 18 künstlerischen Positionen. Dafür wurden Skulpturen und Papierarbeiten ins Museum geholt, die sich normalerweise verstreut an verschiedenen Orten – öffentlichen Gebäuden, Plätzen, Schulen etc. – in der Stadt befanden. Der Kassettenkatalog bot in Ergänzung dazu eine vollständige Übersicht der Initiative, der im Hinblick auf die Durchsetzung und Etablierung des Themas Kunst im öffentlichen Raum“ auch im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle zukommt. Anhand der Materialien des Katalogs wird deutlich, wie frühzeitig in Mönchengladbach öffentliche Teilhabe gefordert und gefördert und die überkommene Vorstellung einer Kunst am Bau“ radikal in den urbanen, sozialen (demokratischen) Raum hinein erweitert wurde. (Siehe zum Vergleich folgende frühe Initiativen: Hamburg 1953: Plastik im Freien; Spoleto, 1962: Festival dei Due Mondi; Monschau 1970: Umweltakzente – Expansion der Kunst; Marl 1970: Stadt und Skulptur [mit Positionen aus der BRD und der Schweiz]; Marl 1972: Stadt und Skulptur [mit Positionen aus der BRD und den Niederlanden]; Hannover 1974: Aufstellung der Nanas von Niki de Saint-Phalle in der Stadt.)

Kassettenkatalog KUNST AM BAU, 1976
Kassettenkatalog KUNST AM BAU, 1976
Kassettenkatalog KUNST AM BAU, 1976

In welcher anderen mittelgroßen Industrie- und Arbeiterstadt ließe sich eine vergleichbare Akkumulation so vieler bedeutender plastischer und druckgrafischer Werke finden wie in Mönchengladbach? Hier diffundierte das Antimuseum“ sozusagen von Beginn an breit in den öffentlichen Raum, wo es kontroverse Diskussionen auslöste und neben positiver Resonanz auch teils erbitterten Widerstand provozierte – wie etwa im Falle von Alexander Calders Pointes et Courbes oder Joseph Beuys´ Aggregat. (Siehe hierzu die Presseausschnitte im Kassettenkatalog Kunst am Bau mit Titeln wie Monstrum auf dem Theatervorplatz“, Haare steil am Berg“ oder Hardt diskutiert Beuys: Wir können wenig mit ihm anfangen.“)

Interessant ist, dass man in Mönchengladbach bereits ein Jahr vor der ersten Manifestation der Skulptur Projekte“ in Münster (1977), welche zeitgenössische Kunst außerhalb des geschützten Raums Museum“ zur Disposition stellte, Rückschau hielt auf zehn (!) Jahre produktiver Praxis im Umgang mit Skulptur im öffentlichen Raum.2 Der Mönchengladbacher Oberbürgermeister Theodor Bolzenius, dem als Pädagoge und Direktor des Stiftischen Humanistischen Gymnasiums die ästhetische Erziehung der Jugend ein besonderes Anliegen war, zu den Anfängen des Projekts: 1965 begann in Mönchengladbach der Versuch, in Sachen Kunst am Bau‘ einmal andere Wege zu gehen, zunächst mit der Gründung einer Kunstkommission. Ihr gehörten Mitglieder der Verwaltung, Ratsmitglieder und ein Sachverständigen-Kreis an, bestehend aus den Museumsdirektoren Dattenberg (Mönchengladbach), Aust (Wuppertal) und dem damaligen wissenschaftlichen Assistenten am Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld, Cladders. Die guten Erfahrungen ermunterten 1973 dazu, das Verfahren satzungsmäßig im Ortsrecht zu verankern und die Entscheidungskompetenz einem eigenen Ausschuß, dem Kunstausschuß, zu übertragen. Kunstkommission wie Kunstausschuß befanden nicht nur über die bei öffentlichen Bauten nach einer bestimmten Staffelung anfallenden Prozentsätze der Baukosten zur Verwendung für Kunst am Bau‘, sie beschäftigten sich auch mit dem Erwerb von Graphik zur Ausstattung von Schulen. Gerade hier wurden die zahlenmäßig umfangreichsten Anschaffungen getätigt, so umfangreich, daß ihre Auflistung den Rahmen dieser Dokumentationsschrift sprengen würde.“3

KUNST AM BAU: ZEHN JAHRE ERFAHRUNG

Zum Verständnis der extensiven Mönchengladbacher Maßnahmen sollte man sich den Bauboom vergegenwärtigen, der die 1960er und 1970er Jahre in Westdeutschland prägte. Vor allem im Rahmen ausgedehnter Schulreformen – ab Mitte der 1960er Jahre zeichneten sich grundlegende Veränderungen im Schulwesen ab – wurden zahlreiche Neubauten notwendig. Busso Diekamp, dem als Stadtdirektor auch die Dezernate Recht und Ordnung, Schule und Kultur zugeordnet waren, erinnert: Eine erste Neuerung war die Aufteilung der Volksschule in Grund- und Hauptschule. Die Neuordnung konnte zunächst auf freiwilliger Basis durch die Gemeinden organisiert werden; Mönchengladbach gehörte zu den wenigen Großstädten, in denen diese Umstellung bereits in der Übergangsphase erfolgte.“4

Denkbar ist, dass speziell im Zusammenhang mit der Thematik Kunst am Bau an öffentlichen Schulen die Rolandschule in Düsseldorf-Golzheim vorbildhaft für die Mönchengladbacher Maßnahmen wirkte, die in den Jahren 1957 – 1961 nach Entwürfen des Düsseldorfer Architekten Paul Schneider-Esleben erbaut worden war. Hier integrierte Schneider-Esleben Werke von Joseph Beuys, Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker, welche die Künstler speziell für den Bau und – im Falle der Beuys´schen Spielplastik“Jungfrau (1961) – auch für den Schulhof konzipierten.

Im Falle Mönchengladbachs handelte es sich bei einigen Werken ebenfalls um ortspezifische Arbeiten. So konzipierte beispielsweise Heinz Mack seine Lichtstele (1970) speziell für eine, hinter der Kaiser-Friedrich-Halle gelegene, Parkanlage. Anatol produzierte (in Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler) die sieben Bleireliefs für sein Werk Die Welle (1969) speziell für die Turnhalle der Katholischen Grundschule Untereicken. Der große Teil der in der frühen Phase für die Mönchengladbacher Maßnahme Kunst am Bau“ angekauften Plastiken wurde jedoch auf dem Kunstmarkt erworben, die Werke ergo als sogenannte drop sculptures“ im öffentlichen Raum platziert.

Johannes Cladders dokumentierte die Ankäufe des Projekts Kunst am Bau 1968 und 1972 in den Katalogkassetten zu seinen beiden BELEG-Ausstellungen, die nachfolgend zitiert werden. Im Kassettenkatalog BELEG II, 1972, erklärt der Museumsdirektor programmatisch: Die Stadt Mönchengladbach beschränkt ihre Bemühungen, in der künstlerischen Gegenwart zu leben und an ihren Fragen und Problemen teilzuhaben, nicht auf den Raum des Museums. Was unter der Bezeichnung Kunst am Bau‘ vielerorts als ein Ausweichen vor diesen Problemen in Erscheinung tritt, versucht sie in die engagierte Teilhabe zurückzuführen. Auch bei den Anschaffungen für die Ausgestaltung der Schulen beschreitet sie den Weg des Engagements für neue Entwürfe der Kunst. Unter Ausschluss dieser, in hohe Stückzahlen gehenden Graphik-Aquisitionen will nachfolgende Liste nur eine flüchtige Vorstellung von dem geben, was als Kunst am Bau‘ in jüngster Zeit erworben wurde.“5

Kassettenkatalog BELEG, 1968
Kassettenkatalog BELEG, 1968
Kassettenkatalog BELEG, 1968

Dokumentierte Kunst am Bau-Werke im Kassettenkatalog zur Ausstellung BELEG. Kunstwerke der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Besitz der Stadt Mönchengladbach, 1968

John F. Bennett, Column, 1965, Stele aus Aluminiumguss, erworben für die Evangelische Volksschule Aachener Straße.

Joseph Beuys, Aggregat, 1967, erworben 1967 für die Verwaltungsstelle Hardt

Alexander Calder, Silberweiss, um 1953, Mobile aus Alumniumblech, erworben 1967 für die damalige Evangelische Volksschule Aachener Straße 

Heinz Mack, Lichtrotor, 1967, Katholische Volksschule Engelsholt

Otto Piene, Weißweißweiß, 1959/60, Katholische Volksschule Sittard

Nicolas Schoeffer, Sculpture electrique, 1967, Evangelische Volksschule Rheindahlen

Günther Uecker, Weißes Feld, 1964, Katholische Volksschule Sittard

Und weiter heißt es hier In den Volksschulen der Stadt befinden sich Druckgraphiken von: d´Arcangelo, Bonies, Brüning, Buchheister, Hamilton, Heerich, Jaquet, Kriwet, Lichtenstein, Miró, Nay, Richter, E. Schumacher, Singier, Stanley, Uhlig, Yvaral u.a.“

Dokumentierte Kunst am Bau-Werke im Kassettenkatalog zur Ausstellung BELEG II. Neuerwerbungen 1969 – 19721972

Lucio Fontana, Concetto Spaziale Cratere, 1967/ 68, 9 Porzellanreliefs, (Multiple), Totenhalle Ostfriedhof

Ulrich Rückriem, Ohne Titel, 1970, Steinskulptur in zwei Teilen und Entwurfszeichnungen, Schulzentrum Hardt

Carel Visser, Schulzentrum Hardt

Sol Lewitt, Sonderschule Lürrip

Erwin Heerich, Zylinder im Kubus, 1970, Schulzentrum Dünnerfeld

Anatol Herzfeld, Die Welle, 1970 sieben Bleireliefs, Turnhalle Untereicken

Norbert Kricke, Raumplastik, 1962/ 64, Gesundheitsamt

Jean Tinguely, Fontaine b5, 1966/ 67, Neusprachliches Gymnasium

Heinz Mack, Kaiser-Friedrich-Halle, Lichtstele, 1970

Quellenangaben / Anmerkungen

Johannes Cladders, Rede zur Eröffnung der Ausstellung

Auf den ersten Blick hin scheint diese Ausstellung mit ihrem Titel, nämlich mit „Kunst am Bau“, wenig oder gar nichts zu tun zu haben. Man kann sie eher für eine Schau halten, in der einige Tendenzen der jüngeren Kunstgeschichte dargeboten werden für eine Museums- oder auch eine Privatkollektion. Dass dieser Eindruck entstehen kann, findet zunächst eine ganz vordergründige Erklärung: Die sonst verstreut und isoliert existierenden Werke bieten sich in schnell und leicht überblickbarer Zusammenfassung. Es handelt sich um mehr oder weniger leichte, doch in jedem Fall transportable Objekte, aus denen ja üblicherweise eine temporäre Ausstellung immer nur zusammengestellt sein kann. Fest mit dem Bau, für den sie angeschafft wurden, verbundene Arbeiten, Arbeiten, deren Gewicht oder Umfang es nicht erlaubten, sie hier ins Haus zu verbringen, mussten für die Dokumentation von vornherein ausscheiden. Fernerhin Arbeiten – wie etwa liturgisches Gerät – - sollten und konnten dem Gebrauch nicht entzogen werden. Es fand zudem auch eine gewisse Auswahl unter dem Verfügbaren statt, die sich an den Erfordernissen einer ausstellungsmäßigen Präsentation orientierte. Und schließlich wurde auch die Schulgraphik mit in die Dokumentation einbezogen, ein Material also, dem von vornherein ein gewisser Sammlungscharakter anhaftet.

Das alles mag dazu beitragen, das Thema der Ausstellung zunächst vergessen zu lassen. Dennoch ist es nicht nur dadurch präsent, dass alle diese Exponate aus Mitteln angeschafft wurden, die aus den Prozentsätzen stammen, die bei Baumaßnahmen und Neueinrichtungen für Kunst anfallen. Es ist nämlich nicht purer Zufall, dass der Eindruck einer Kunstsammlung entstehen kann, sondern es spiegelt sich darin nicht zuletzt die Konzeption der Erwerbungen selbst. Eine Konzeption, die es ermöglichte, in der Stadt Werke von Künstlern anzusiedeln, die beachtete und wesentliche Beiträge zur internationalen Kunstszene von heute lieferten (oder noch liefern). Und das so rechtzeitig, dass entsprechende Erwerbungen, hätte man sie jetzt im Nachhinein zu tätigen, den Rahmen der bei den Bauwerken anfallenden Mittel oft bei weitem sprengen würden. Die hier geübte Praxis weicht sicherlich vom Üblichen in der Handhabung des viel umstrittenen und zweifellos auch äußerst problematischen Bereichs „Kunst am Bau“ ab. Insbesondere von außen her wird uns jedoch gern bescheinigt, dass wir mit einigem Anstand und Erfolg „dem Gesetz Genüge getan“, d.h. die ministeriellen Empfehlungen sinnvoll angewandt haben. Denn das Feld der „Kunst am Bau“ stellt sich doch weithin als ein ziemlich willkürlich beackertes dar. Als wir diese Dokumentation zusammentrugen, waren wir selbst auf das Ergebnis gespannt. Dass sich mit den Objekten eine Ausstellung machen ließ, die einen kleinen Überblick über die Tendenzen der Kunst unserer Tage erlaubt, war zunächst auch eine Bestätigung für das Konzept der Anschaffungen.

Wenn man mit einem gewissen Recht von „richtigen“, guten und günstigen Ankäufen sprechen darf, so sollte man darüber jedoch nicht die Problematik des mit dem Begriff „Kunst am Bau“ angerissenen Bereichs vergessen. In der Broschüre, die das Stadtarchiv in seiner Reihe „Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach“ unter dem Titel „Kunst am Bau/Zehn Jahre Erfahrung“ herausbrachte – und die auch als Katalog zu dieser Ausstellung dient – wird einleitend der Versuch unternommen, den Hintergrund zu skizzieren, vor dem auch die Mönchengladbacher Erwerbungen zu sehen sind. Ich will das hier im Einzelnen nicht wiederholen. Nur soviel: Ganz offensichtlich stehen wir an einem Punkt, wo sich Kunst und Architektur nicht mehr selbstverständlich und zwangsläufig zusammenfinden. Darin liegt das Problem, und darin liegen die Schwierigkeiten „Kunst am Bau“ zu praktizieren.

Unabhängig von einem Bauwerk entstandene künstlerische Arbeiten zu erwerben, wie das häufig bei uns geschah, lässt sich als ein Ausweichen vor den Schwierigkeiten interpretieren, andererseits aber auch als den Weg, der in der gegebenen und von uns nicht zu ändernden Situation zu optimalen Lösungen führt. Denn was offensichtlich durch ein Miteinander von Künstler und Architekt trotz eindringlicher Forderungen und sicherlich auch zu unterstellendem guten Willen am Ende dann doch oft nicht zu leisten ist, stellt sich in diesem Konzept als durchaus leistbar dar.

Das Beispiel Kaiser-Friedrich-Halle mag das verdeutlichen. (In Klammern gesagt: was üblicherweise die Prozentsätze Kunst am Bau hergeben, wurde hier vom Wiederaufbauverein beigesteuert. Die Geldquelle ändert jedoch nichts an der Sache.) Das Gebäude wurde durch Brand zerstört. Sein Wiederaufbau hatte sowohl seine Wiedererstellung im restauratorischen Sinne wie seine Neuerrichtung mit Blick auf die heutigen Bedürfnisse zum Ziel. Die Kunst-am-Bau-Beträge trugen die Rechnung. Ihre Verwendung beabsichtigte eine „Integration“, wie sie von einem einzelnen Künstler in einer Auftragsarbeit nicht leistbar gewesen wäre. Der Historie, die auch den architektonischen (Wieder)-Aufbau dominierte, wurde in dreifacher Hinsicht Rechnung getragen: Die Wandbilder im Treppenhaus, die den Brand, wenn auch mit einigen Schäden, überstanden hatten, wurden restauriert. Diesem künstlerischen Erinnerungszeichen an den ursprünglichen Bau wurden die Bauzeit charakterisierende Zeugnisse hinzugefügt: ausgesucht hochwertige Produkte damals zeitgenössischer, führender und weit verbreiteter Glasmanufakturen. Sie waren, in Vitrinen zusammengefasst, für das Foyer bestimmt. Gemälde-Erwerbungen ergänzten diesen zeittypischen Aspekt. Die entscheidenden Zeitrepräsentanten – es hätten ja Monet oder auch Munch, Klimt, Cézanne, der frühe Picasso oder ein erster Schritt des deutschen Expressionismus, meinetwegen ein Hölzel oder sonst wer sein müssen – entzogen sich natürlich astronomisch weit dem zur Verfügung stehenden Budget. Doch gute Bilder von Otto Modersohn, Hans Richard von Volkmann, Willi Boronski und Hans von Bartels bewegten sich im Rahmen des Finanzierbaren und blieben künstlerisch innerhalb dessen, was sich die Hallenerbauer selbst wohl zu ihrer Zeit zugetraut haben könnten. Die Halle diente jahrzehntelang als Domizil des Theaters. Soweit alte Bühnenbildentwürfe noch erreichbar waren, wurden sie beschafft, gerahmt und zur Dekoration des Restaurants – des damaligen –verwendet. Auf diese Weise wurde eine Brücke auch zu dieser Nutzungsepoche geschlagen. Dem zwar völlig neu gestalteten, in seiner Anlage jedoch auf alten Gegebenheiten aufbauendem Restaurant-Trakt wurde in gebührender Entfernung – auch vom gesamten Altbau – ein Zeichen unserer Gegenwart hinzugegeben. Heinz Mack schuf eine speziell auf den Standort zwischen Halle und Baumkulisse zugeschnittene Lichtstele.

Wie es sich im Beispiel Kaiser-Friedrich-Halle nicht um die Erwerbung beziehungslos zum Bauwerk stehender, singulärer Werke handelt, so auch nicht bei den übrigen Anschaffungen. Immer wurde nach möglichst sinnvollen Bezugspunkten Ausschau gehalten. Sie boten sich jedoch jeweils aus zum Teil sehr unterschiedlichen Richtungen an. Im Falle der Hardter Waldklinik zum Beispiel lag es nahe, den besonderen Wünschen und Bedürfnissen der Betreuer dieser Einrichtung Rechnung zu tragen. Im Zuge der Umgestaltung der Hauskapelle wurden die Mittel „Kunst am Bau“ für die Beschaffung liturgischer Gegenstände, wie Leuchter, Tabernakel und Kreuz, eingesetzt. Ähnliches geschah auch bei der Ausgestaltung der Totenhalle Ostfriedhof. Zwar andere, aber ebenfalls auf die direkte Nutzung bezogene Lösungen boten sich manchmal bei Kindergärten an. Im Kindergarten Kastanienstraße war es eine Kombination von Dekoration und Spielgerät, in der Sozialpädagogischen Bildungsstätte Gathersweg eine Skulptur, die von den Kindern auch als Hüpfstein angenommen werden kann. Geradezu wie geschaffen für das Wasserbecken im Atrium des Neusprachlichen Gymnasiums an der Viersener Straße erwies sich ein auf dem Kunstmarkt angebotenes Wassermobile von Tinguely.

Die Turnhalle Eicken wurde von Anatol mit Bleireliefs versehen, die im Zuge einer Aktion mit den Kindern der benachbarten Grundschule entstanden.

Die genannten Beispiele können und sollen nur andeuten, dass das praktizierte Konzept flexibel genug war, auf die verschiedenartigsten Situationen einzugehen. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass es auch Anlässe gab, wo sich Bezugspunkte nur schwer finden ließen oder aber die Mittel nicht ausreichten, sie aufzugreifen und auszufüllen. In solchen Fällen kam dann aber durch den Erwerb eines unabhängigen Kunstwerks meist doch noch etwas zustande, was den Einsatz der vorhandenen Mittel lohnte. Nämlich insoweit lohnte, wie es diese Ausstellung nun zu verdeutlichen mag: die Werke finden ihren Stellenwert eben auch in einem größeren Rahmen. Nicht nur die singulären, sondern auch die, deren Funktion zunächst einmal in ihrem engeren und spezifischeren Bezugsfeld zu suchen ist.

Ein Stückchen Kunstgeschichte bietet sich in diesem größeren Rahmen dar. Die Ausstellung ordnet und verbindet ihre Teile. Nicht chronologisch, sondern mehr nach Zusammenhängen, die sich dem Auge aufdrängen und einprägen. In der Veranda des Saales sind die Jugendstilvasen zusammengefasst, stellvertretend im übrigen auch für alle anderen Ankäufe, die auf die Historie zurückgreifen. Im Saal selbst folgen dann Werke, deren gemeinsamer Nenner im „Konstruktiven“ und „Geometrischen“ zu suchen ist. Von der Intention her berühren sich die Quadratabläufe eines Sol Lewitt mit den ebenfalls streng und rational kalkulierten Werken eines Heerich zwar nicht, aber dem Auge bietet sich doch eine gewisse Einheit und eine für unsere Zeit typische Möglichkeit und Erscheinungsform von Kunst. Mit einer Bronzekugel und neun Porzellanreliefs von Fontana in einem der kleinen Räume des Eingangsgeschosses wird ein Künstler vorgestellt, der die Kunstszene der ausgehenden 50er und frühen 60er Jahre maßgeblich beeinflusste. Insbesondere die Tendenzen, die mit dem Wort „Zero“ im weitesten Sinne angesprochen sind, hatten in Fontana einen Vorläufer wie auch freundlichen Mitstreiter. Der engere, eigentliche „Zero-Kreis“, der vielleicht erstmals nach dem Krieg die deutsche Kunst international ins Gespräch brachte, ist dann mit zwar kleinen, aber doch typischen Beispielen von Mack, Piene und Uecker sowohl im Untergeschoß wie auch in einem Raum des Obergeschosses vertreten. Beigegeben sind diesen Beispielen Arbeiten aus dem Bereich der Kinetik, einer Kunstform, der sich auch die Zero-Künstler häufig bedienten. Im Untergeschoß ist es ein Beispiel von Calder, eines seiner berühmten Mobiles, die die kinetischen Künste mit einleiteten, im Obergeschoß ist es eine bewegliche Konstruktion von Schoeffer, dessen riesige Projekte für skulpturale Spiele aus Licht und rotierendem Edelstahl Anfang der 60er Jahre Aufsehen erregten. Dem kinetischen Bereich ebenfalls zugehörig, wie auch zugleich exemplarisches Beispiel für den Nouveau Ralisme, der gut ein Jahrzehnt das europäische Kunstschaffen beeinflusste, ist die Wassermaschine von Tinguely, die wir im Garten platzierten. Der Garten beherbergt noch weitere Skulpturen, die sich zu einem schönen Ensemble vereinigen. Zu den museumseigenen Plastiken von Anatol und Rückriem gesellen sich für diese Ausstellung eine Eisenskulptur von Visser und das Aggregat von Beuys, dessen Anschaffung seinerzeit lebhafte Diskussion auslöste. Mit dem Namen Beuys verbindet sich eine künstlerische Tendenz, die sozusagen den Gegenpol zum „Geometrischen“ und „Konstruktivistischen“ der Kunst unserer Zeit darstellt. Mit den Bleireliefs von Anatol und den dazugehörigen Radierungen in einem Raum des Obergeschosses sind solche mehr auf organische oder auch biologische Zusammenhänge zielenden Bemühungen prototypisch präsentiert.

Der Rahmen ist also weit gespannt. Mit Hilfe einer Dia-Serie, die wir im Obergeschoß zeigen, beziehen wir zudem auch einen Teil der Werke mit in die Ausstellung ein, die sich nicht nach hier transportieren ließen. Und schließlich fehlt auch nicht ein Beispiel, das deutlich die eingangs erwähnte Problematik signalisiert.

Der Entwurf Rückriem für Rheindahlen, den wir in einem Modell im Obergeschoß vorstellen, scheiterte zutiefst wohl an den bewussten oder unbewussten Widerständen, die ihren Grund im architektonischen Anspruch des Projekts haben. Auch das zählt zu den Erfahrungen von zehn Jahren. Es gab Erfolge, aber eben auch verpasste Gelegenheiten. Von letzteren lässt sich jedoch zum Glück bis jetzt noch keine Ausstellung bestreiten.

KASSETTENKATALOG ZUR AUSSTELLUNG

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KASSETTENKATALOG ZUR AUSSTELLUNG
KUNST AM BAU. Dokumentation der Mönchengladbacher Erwerbungen, 1.4. – 9.5.1976

Schuber aus grauem Karton, schwarzer Aufdruck auf Deckel und Seite, 22,5 × 15,5 cm × 1,2 cm

Inhalt: Zusammenstellung vervielfältigter Materialien, Publikation 

Typoskript mit Einführungsrede J. Cladders anlässlich der Ausstellungseröffnung Kunst am Bau“, 4 S.

Typoskript mit Vortrag Th. Bolzenius, gehalten am 3. November 1975, einzelne Seiten mit Reproduktionen von Skizzen, 20 S.

Kopien verschiedener Zeitungsartikel zu Kunst am Bau“ in Mönchengladbach

(WZ, 22.7.1967; WZ, 30.12.1967; NRZ [Krefelder Stadtnachrichten], 5.7.1969; RP, 25.1.1968; WZ, 6.7.1970; RP, 9.11.1971; RP, 1.3.1974; RP, 9.3.1974; RP, 23.3.1974 und weitere Kurzartikel), geheftet, 5 S.

Publikation Stadtarchiv Mönchengladbach (Hg.), Kunst am Bau. Zehn Jahre Erfahrung. Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach, Nr. 7, Redaktion: Wolfgang Löhr. Mit einer Zusammenstellung und Werkinterpretation von Werner Lippert, einem Vorwort von Theodor Bolzenius und einer Kritischen Betrachtung“ von Johannes Cladders, Mönchengladbach 1975

Auflage des Schubers (mit Publikation und beigelegten Materialien): 310 Exemplare

Preis in der Ausstellung: 10,50 DM

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Verzeichnis der ausgestellten Werke

Es existiert kein Verzeichnis der in der Ausstellung präsentierten Werke. Doch erwähnt Johannes Cladders In seiner Eröffnungsrede, dass in den Museumsräumen und im Garten Arbeiten von Anatol, Beuys, Calder, Fontana, Heerich, Hiltmann, LeWitt, Rückriem, Tinguely, Visser, Zero (Mack, Piene, Uecker) sowie Jugendstilvasen gezeigt wurden. Ferner spricht er davon, dass man diejenigen Werke, die sich nicht hatten transportieren lassen, in der Ausstellung anhand einer Diaserie dokumentierte.

Eine vollständige Aufstellung aller bis 1975 im Rahmen der Kunst am Bau-Maßnahmen in Mönchengladbach erworbenen Werke enthält die Publikation: Stadtarchiv Mönchengladbach (Hg.), Kunst am Bau. Zehn Jahre Erfahrung. Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach, Mönchengladbach 1975. Die Publikation ist Teil des Kassettenkatalogs, der zur Ausstellung herausgegeben wurde.

Zur Grafik in Schulen und ihren damaligen Standorten hat sich u.a. die unten aufgeführte - allerdings unvollständige - Werkliste aus den 1970er Jahren im Archiv MAM erhalten (5 S., masch. und hs.).

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Grafik in Schulen (Auswahl)

1 Sol LeWitt, Offset, 1970, Schulzentrum Dünnerfeld

2 Kenneth Martin, Siebdruck, 1976, Schulgebäude Bleichstraße / Stift.

3 Kenneth Martin, Siebdruck, 1971, Schulzentrum Dünnerfeld

4 Francois Morellet, Probedruck, Schulzentrum Dünnerfeld

5 Francois Morellet, Probedruck, Schulgebäude Bleichstraße / Stift.

6 Erwin Heerich, Offset, 1971, Gymnasium Rheindahlen

7 Erwin Heerich, Offset, 1971, Schulgebäude Bleichstraße / Stift.

8 Erwin Heerich, Pferd, Siebdruck, 1972, Gymnasium Rheindahlen

9 Günther Uecker, Blindprägedruck, 1975, Städt. Realschule Giesenkirchener Straße

10 Walter Leblanc, Siebdruck, Schulzentrum Dünnerfeld

11 Victor Bonato, Prägedruck/Serigraphie, Gewerbliche Schulen

12 Ludwig Wilding, Nr.39/1969, Hauptschule Stadtmitte

13 Diter Rot, Kuchen an der See, 1970, Serigraphie, Gymnasium Rheindahlen

14 Diter Rot, Wenn das Schiff auf dem Horizont erscheint, 1972, Lithographie, Gymnasium Rheindahlen

15 Diter Rot, Müh und Sorge, 1972, Lithographie, Gymnasium Rheindahlen

16 Bernard Descamps, Serie von 8 Photos, Gymnasium Rheindahlen

17 Bernd und Hilla Becher, 5? Kalksilos in Duisburg-Ruhrort, 1972, Offsetdruck

18 Günther Uecker, Probedruck, 1970, Schulzentrum Dünnerfeld

19 Jan J. Schoonhoven, Edition Merian, 1974, Gymnasium Victoriastraße

20 Jan J. Schoonhoven, Siebdruck, 1971, Gymnasium Rheindahlen

21 Raimund Girke, Prägung, 1972, Gymnasium Victoriastraße

22 Palermo, Auto, Siebdruck und Collage, 1972, Gymnasium Rheindahlen

23 Palermo, Mit rotem Strich, Siebdruck, 1970, Gymnasium Rheindahlen

24 Kasimir Malewitsch, Mappe Sieg über die Sonne, 1913/73, Schulzentrum Dünnerfeld

25 Walter Leblanc, Siebdruck, Schulzentrum Dünnerfeld

26 Kuno Gonschior, Vibration grün/violett, Siebdruck, Schulzentrum Dünnerfeld

27 Robin Page, There are those who eat apples, Serigraphie, 1974, Gymnasium Rheindahlen

28 Robin Page, Slashed Box, 1970, Serigraphie, Gymnasium Rheindahlen

Kassettenkatalog

Einladungskarte / Plakat / Druckerzeugnisse

Archiv Audio

Archiv Dokumente / Korrespondenz

Archiv Presse

Presse

Kurzankündigungen / Meldungen

o. V., Dokumentation Kunst am Bau, in: Westdeutsche Zeitung, 27.3.1976
o. V., o. T. (Die Ausstellung „Kunst am Bau“...), in: Rheinische Post, 6.4.1976
o. V., o. T., Westdeutsche Zeitung, 7.4.1976
R. T. [Tristram], „Kunst am Bau“ in Mönchengladbach, in: Rheinische Post, 8.4.1976
o. V., 500 Besucher bei „Kunst am Bau“, in: Rheinische Post, 9.4.1976

Berichte / Rezensionen / Kommentare

o. V., Zehn Jahre Kunst am Bau, in: Westdeutsche Zeitung, 3.4.1976